Nach der Abstimmung über die Kriegsgeschäfte-Initiative lohnt sich ein Rückblick genauso
wie ein Blick voraus.
42,5 Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung sagte am 29. November Ja zur Kriegsgeschäfte-Initiative und damit Ja zu einer Schweiz, die ihre internationale Verantwortung ernst nimmt und die mit ihrem Geld nicht länger die Produktion von Panzern, Bomben und Atomwaffen finanziert. Dem vorausgegangen war eine jahrelange Kampagne, die mit einer spektakulären Aktion begann und in einer bunten, kreativen Kampagne mündete: Von blutig gefärbten Brunnen bis hin zu der legendären Aktion von Louise Schneider, die «Geld für Waffen tötet» an die Wand der SNB sprayte, haben wir nichts ausgelassen. Herz der Abstimmungskampagne war das Briefkastenflyern. Von Hand haben wir rund 600’000 Flyer in die Briefkästen der Schweizer Bevölkerung verteilt. Zusätzlich haben wir über die Kanäle der Kriegsgeschäfte-Initiative mehr als 1,4 Millionen Menschen in den sozialen Medien erreicht, 6’000 Fahnen zierten Hauswände und zahlreiche Menschen trugen die Ja-Parole mit einer Schutzmasken zur Schau – das alles mitten in einer Pandemie. Leider hat es am 29. November trotzdem nicht zu einer Annahme der Kriegsgeschäfte-Initiative gereicht. Doch seien wir ehrlich: Als wir diese Initiative vor drei Jahren lanciert haben, hätten wir nicht gedacht, dass ein so gutes Resultat möglich ist. Denn wir sind gegen die versammelte finanzielle Macht der bürgerlichen Parteien und der Rüstungslobby angetreten, die noch dazu eine Kampagne fuhren, die populistischer nicht hätte sein könnte. Besonders erfreulich ist auch, dass dank der Kriegsgeschäfte-Initiative bereits etliche Pensionskassen ihre Anteile an Kriegsmaterial- und Atomwaffenproduzenten abgestossen haben. Das sind realpolitische Erfolge, die die Welt ein kleines Stück friedlicher machen. Dieses Resultat ist entsprechend nicht nur ein Achtungserfolg, sondern steht für eine Verschiebung der Deutungshoheit in der Schweizer Sicherheitspolitik – eine Verschiebung, die sich noch deutlicher in der ultraknappen Annahme der Kampfjet-Beschaffung im September zeigte. Die Zeit einer Sicherheitspolitik, die nur Aufrüstung kennt, ist abgelaufen in der Schweiz.
WIE ES NUN WEITERGEHT
Der hohe Ja-Anteil ist ein deutliches Zeichen, dass die Schweiz nicht einfach zum Status quo zurückkehren kann. Gerade das Verbot der Investitionen in die Hersteller von international geächtetem Kriegsmaterial wie Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen, Anti -personenminen und Streumunition war im Abstimmungskampf unumstritten. Das Verbot der direkten Finanzierung von verbotenem Kriegs – material muss also umgehend ausgeweitet werden, sodass es auch die indirekte Finanzierung (beispielsweise via Aktienkäufe oder Beteiligung an Fonds) umfasst. Hierfür wurde von Priska Seiler-Graf auch bereits eine Motion eingereicht, die von Politiker*innen aus SP, Grüne, EVP und GLP unterstützt wird. Weiter stellte sich im Abstimmungskampf heraus, dass das Seco bisher kaum überprüft hat, ob das Verbot der direkten Finanzierung auch eingehalten wird. Eine vom Initiativkomitee in Auftrag gegebene Studie1 kam zum Schluss, dass Credit Suisse und UBS auch direkt Unternehmen finanzieren, die im Atomwaffengeschäft tätig sind. Zwischen Januar 2018 und September 2020 gewährte die Credit Suisse direkte Finanzierungen an Atomwaffenproduzenten in der Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar, die UBS im Umfang von 628 Millionen – und das Seco will nichts davon gewusst haben. Entsprechend braucht es endlich ernsthafte und regelmässige Kontrollen der Banken, damit sie wenigstens diese Mindestanforderung erfüllen. Zusätzlich befindet sich mit der Korrektur-Initiative bereits die nächste friedenspolitische Vorlage in der Pipeline. Dass der Nationalrat in der vergangenen Wintersession einem vollständigen Stopp aller Kriegsmaterialexporte an die Jemen-Kriegsallianz zugestimmt hat, stimmt zuversichtlich. Die politischen Verhältnisse bewegen sich in der Tat.