Newsletter Ukraine 36

Liebe Leser*innen

«Wir hoffen, dass die Schweiz nicht mit Russland Handel treibt» – passender oder eben unpassender könnte diese brandaktuelle Überschrift in den Tamedia-Zeitungen nicht lauten. In diesem Interview mit dem ukrainischen Bürgermeister Witali Klitschko erklärt dieser der Schweiz sogleich treffend, wo denn ihre Hebel lägen: “Zum Beispiel könnt ihr bei den Sanktionen gegen Russland etwas tun. Wir hoffen, dass die Schweiz diese ernst nimmt und nicht mit Russland Handel treibt. Denn jeder Franken, der nach Russland geht, geht direkt an das Militär – so wie jeder Euro und jeder Dollar. Und so geht das Sterben in der Ukraine weiter. Alles Geld, das nach Russland überwiesen wird, ist blutiges Geld.”

Dieses Interview dient als Aufhänger, um zum traurigen 2. Jahrestag des Ukraine-Kriegs unsere Meinung kundzutun. In der letzten Woche fanden erneut Solidaritätskundgebungen in unzähligen Städten weltweit statt – ebenso in der Schweiz. Am vergangenen Samstag gab es sowohl in Bern als auch in Zürich Demonstrationen. Die GSoA selbst organisierte zuvor am Donnerstag trotz Regen eine kleine Platz-Kundgebung auf dem Waisenhausplatz in Bern. Diese widmete sich, wie eingangs angetönt, der Rolle oder eher der Schuld der Schweiz in diesem Krieg. Um den dort gehaltenen Reden Platz zu bieten und deren so wichtigen Inhalte einem noch breiteren Publikum zugänglich zu machen, geben wir hier die wichtigsten Ausschnitte hier wieder.

Benjamin Zumbühl, Präsident von Campax und ehemaliger Mitarbeiter eines Dual-Use-Produzenten in Bern widmete sich in erster Linie der Schweizer Schuld durch die indirekte Mithilfe an der Waffenherstellung Russlands: 

“Die Schweiz hat Russland und seine Rüstungsindustrie jahrzehntelang unterstützt. Wir haben Produktionsmaschinen geliefert, die es Russland erlauben, fortlaufend neue Waffen zu produzieren. Auch dann noch, wenn sie mit Sanktionen belegt werden. Schweizer High-Tech-Maschinen fertigen in russischen Fabriken Sturmgewehre und Triebwerksteile von Bombern – präzise, hocheffizient und unaufhaltsam. Denn eine Produktionsmaschine lässt sich von Sanktionen nicht beeindrucken, sie produziert einfach weiter.”

“In diesem Zusammenhang wird oft von Dual-Use-Gütern gesprochen. Das sind Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Im Gegensatz zu Waffen ist der Export von Dual-Use-Gütern weniger streng reguliert. Schlussendlich kann man bei einer elektronischen Komponente nicht genau wissen, ob sie in einen zivilen oder in einem militärischen Gerät zum Einsatz kommen wird. Diese Unsicherheit über die mögliche Verwendung besteht bei einigen Exportprodukten – aber sie wird auch bewusst ausgenutzt.”

“Eine unklare Verwendung kommt der Schweiz ganz gelegen, denn die Schweiz verfolgt den Ansatz: Im Zweifelsfall liefern. Wenn sich Geld verdienen lässt, dann sollen nicht moralische Bedenken im Weg stehen.”

“Wenn ich das sage, spreche ich aus Erfahrung. Ich spreche als ehemaliger Mitarbeiter einer Firma, die Fräsmaschinen für Russland produziert hat. Fräsmaschinen stellen Bauteile aus Metall her und kommen in unzähligen Industriezweigen zum Einsatz. Man könnte also sagen, dass Fräsmaschinen sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Das ist zwar nicht falsch, aber entscheidend ist, an wen die Maschinen tatsächlich geliefert werden. Wenn eine Maschine an eine Gewehrfabrik verkauft wird, wird sie höchstwahrscheinlich eine andere Verwendung haben, als wenn sie an eine Verpackungsfirma verkauft wird.”

Ergänzend verweisen wir an dieser Stelle auf das Interview mit Benjamin in der Zeitung “Der Bund”, in welchem auf die Dual-Use-Problematik weiter eingegangen wird. Ebenso darf hierbei nicht unerwähnt bleiben, dass sich die Berner Kantonsregierung keinen Deut um diese Aufrüstung Putins schert.

Auch Jo Lang, Friedensaktivist und langjähriges GSoA-Mitglied erinnert an die Schweizer Mithilfe an Putins Kriegsmaschinerie und geht dabei auf den Rohstoffplatz ein:

“Könnte Putin seinen Krieg noch finanzieren ohne die Abermilliarden Rohstoff-Dollar, die ihm all die Jahre aus der Schweiz zuflossen und ihm weiter zufliessen? 

Diese Frage stellt sich ganz direkt, wenn wir von jener Firma ausgehen, die seit der Krim-Annexion 2014 offiziell mit dem russischen Verteidigungsministerium verbunden ist: der Rosneft! Im Jahre 2021 beliefen sich deren Einnahmen auf 121 Milliarden US-Dollar. Trotz Sanktionen wegen der Krim-Annexion konnte sich der russische Mega-Konzern auf die grossen Handelskonzerne in Genf und Zug verlassen. Sie setzten nicht nur den Grossteil des Öls ab. Sie streckten ihm auch Geld vor.

Ein Beispiel: Ende 2016 geriet Putins Staatskasse wegen den Krim-Sanktionen an den Rand des Bankrotts. Die Glencore kaufte sich mit ihrem grössten Einzelaktionär, dem Staatsfond von Katar, in die Rosneft ein. Und verschaffte so der russischen Kriegskasse 11 Milliarden Dollar. Putin bedankte sich, indem er im Februar 2017 dem Glencore-CEO Iwan Glasenberg persönlich den Freundschaftspreis der Russischen Föderation übergab. Übrigens hält die Glencore ihre Generalversammlungen in jenem Zuger Casino ab, wo Putin 2002 ein Friedenspreis verliehen worden ist.”

Mit diesen Worten senden wir unsere Solidarität mit der Ukraine und versprechen dranzubleiben, wenn es heisst “Frieden in und für die Ukraine” oder auch “Kriegsgewinne für den Wiederaufbau”.

Friedvolle Grüsse

Joris Fricker

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