«Was wir uns nicht vorstellen können, können wir auch nicht erreichen», stellte Margo Okazawa an der internationalen FrauenFriedensKonferenz «womanoeuvres – Feministische Debatten zu Frieden und Sicherheit» im Mai dieses Jahres fest. Einige Schlaglichter auf ihre Arbeit.
Bei ihrem zweiten Besuch im August legte sie dar, dass Visionen einer entmilitarisierten Sicherheit für Frauen, Kinder und Männer der Motor ihres feministischen Widerstandes gegen Militarisierung sind.
Von Laura Zimmermann, Frauenstimmen gegen den Krieg
Margo Okawaza ist Professorin für Women’s Studies am Mills College in Oakland, Kalifornien und nennt sich selbst ein Produkt der US-amerikanischen Besatzung Japans im Zweiten Weltkrieg – ihre Mutter ist Japanerin und ihr Vater Afro-Amerikaner. Sensibilisiert durch ihre Herkunft, engagierte sie sich in den USA bereits in den 60er Jahren in der Bürgerrechts- und Anti-Vietnamkriegsbewegung. Mit anti-militaristischer Politik beschäftigt sich Margo seit einem Forschungsaufenthalt in Südkorea 1994. Dort wurde sie mit ihren Wurzeln in zwei imperialistischen Nationen konfrontiert und erlebte wie Koreanerinnen vom US-amerikanischen Militär sexuell ausgebeutet werden. Diese Erfahrungen veranlassten sie 1997 das «East Asia-U.S.-Puerto Rico Women’s Network Against Militarism» mitzubegründen. Das Netzwerk setzt sich mit den negativen Auswirkungen der US-Militärbasen und der Truppenpräsenz im ostasiatischen Raum auseinander und konzentriert seine Arbeit auf Gewalt gegen Frauen, auf «Amerasians», die von GIs im Stich gelassenen Kinder, auf die Miliärabkommen zwischen den USA und den «Gastgeberländern» und auf die Umweltverschmutzung durch die US-Basen.
Im Netzwerk organisiert sind Aktivistinnen, Politikerinnen, Akademikerinnen und Studentinnen aus Okinawa, Japan, Südkorea, den Philippinen und Puerto Rico. Die Frauen arbeiten ehrenamtlich und kommunizieren per Internet. Beschlüsse werden kollektiv vom Koordinationskomitee getroffen, das sich aus je zwei Repräsentantinnen der Mitgliederländer zusammen setzt. Alle zwei Jahre treffen sie sich in einem ostasiatischen Land, um ihre Informationsarbeit und Kampagnen zu organisieren. Die nächste Konferenz findet 2004 auf den Philippinen statt.
Militarisierung in Ostasien
Zur Zeit haben die USA rund 100’000 US-SoldatInnen im ostasiatischen Raum stationiert. Als vordergründige Legitimation der Truppenpräsenz für dir rund 100 Basen bemühen sie die angebliche Bedrohung durch China und Nordkorea. In Realität dient der ostasiatische Raum den USA aber als militärisches Depot und als Truppenaufzugsgebiet für allfällige Interventionen irgendwo auf der Welt. Die Truppenstationierungen sind in den SOFA Abkommen (Security Treaties and the Status of Forces Agreements) zwischen den USA und dem Gastgeberland geregelt. Da diese Verträge zwischen zwei völlig ungleich starken Partnern ausgehandelt werden, haben die Gastgeberländer keine Chance ihre Interessen durchzusetzen. Zum Beispiel bezahlt Japan den USA 48 Millionen Dollar pro Jahr (d.h. pro Soldat 100’000 US$). Viel einschneidender als die finanziellen Kosten bewertet Margo die sozialen Auswirkungen, wie die schwierige Situation der Amerasians, die negativen Folgen der Militärpräsenz für Frauen, wie Vergewaltigung, Prostitution und Frauenhandel sowie die Umweltschäden, für welche die USA zu keinen Reparationszahlungen verpflichtet sind.
Prostitution ist Gewalt gegen Frauen
Margo definiert Prostitution um die US-Militärbasen als Gewalt gegen Frauen, da Frauen aus ökonomischen Gründen zur Prostitution gezwungen sind.
In den so genannten GI-Towns Südkoreas findet ein von der lokalen Bevölkerung abgespaltetes Leben statt. Die Währung ist der US-Dollar. Den GIs stehen die Filialen der US-Multis wie McDonalds und Kentucky Fried Chicken zur Verfügung. Lokale Geschäfte verkaufen diverse Souvenirs. In Bars und Nightclubs bieten Frauen, die oft durch Menschenhandel in die Prostitution gezwungen werden ihre Dienste an. Die Bars sind nach dem Apartheidprinzip getrennt: Für schwarze GIs gibt es die Soul-Bars, für die weissen die Rock- und Country-Bars. Die Frauen, die schwarze Männer bedienen sind ganz unten in der Hierarchie – Frauen, die weisse GIs bedienen, stehen weiter oben.
Als Folge der Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation in Russland und den Philippinen, registrierte das Netzwerk in den letzten Jahren eine markante Zunahme von Russinnen und Philippininnen, unter den Prostituierten in Südkorea. Wie Militarisierung und Krieg mit der globalen wirtschaftlichen Umstrukturierung zusammenhängt, erläuterte Margo mit folgendem Exkurs in die Geschichte: Während des Vietnamkrieges benützten die USA Thailand als «Rest- & Recreation Area» (Erholungsgebiet) für ihre Soldaten und schuf dort eine florierende Sexindustrie. An der sexuellen Ausbeutung der Frauen verdiente der thailändische Staat tüchtig mit. Als sich der Sieg des Vietcong abzeichnete, befürchteten die Regierungen Thailands und der USA massive finanzielle Einbussen für Thailand. Um das zu verhindern entschied die Weltbank – in der McNamara (US-Verteidigungsminister im Vietnamkrieg) nach dem Krieg Einsitz nahm – in Thailands Tourismus zu investieren: Somit war der Sextourismus als Thailands einträglichste Devisenquelle etabliert.
Militarisierung und Gewalt gegen Frauen hängen eng zusammen, führt Margo weiter aus und verortet die Konstruktion von Männlichkeit in der militärischen Sozialisierung der Soldaten. Die sexuelle Aktivität des Mannes ist ein wichtiger Bestandteil des militärischen Trainings und von Kriegshandlungen. So wird im Training die «militarisierte Maskulinität» (Cynthia Enloe) hergestellt, indem die stereotypen Männlichkeitsattribute wie «Dominanz», «Macht», «körperliche Stärke», «sexuelle Potenz», etc. gefördert und reproduziert werden, um die Soldaten für den Kriegseinsatz vorzubereiten. Männer, die diesen Stereotypen nicht entsprechen wollen oder können, werden als Schwule, Schwächlinge oder Pussy beschimpft. Die stereotypen Geschlechterbilder: «Männlichkeit gleich stark» und «Weiblichkeit gleich schwach» werden in den Köpfen der Soldaten verankert.
Militarisierung der Gesellschaft
In ihren Ausführungen betonte Margo den Zusammenhang von Aussen- und Innenpolitik. Die US-amerikanische Gesellschaft wir zunehmend militarisiert. Im Staate Kalifornien wird beispielweise mehr Geld für Gefängnisse ausgegeben als für Bildung. Staatliche Schulen geben die Daten der SchülerInnen automatisch ans Pentagon weiter. Die aggressive und expansive Aussenpolitik der USA schlägt sich in der stetigen Erhöhung des Militärbudgets nieder, zu Ungunsten von Ausgaben für Gesundheit, Bildung und anderen sozialen Institutionen. Dies verschärft den Druck auf die unteren Bevölkerungsschichten. Immer mehr Männer und Frauen sehen sich gezwungen, in der Armee ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Hier schliesst sich der Kreis, der durchbrochen werden kann und muss: Einer Sicherheitspolitik, die auf Militarisierung, Repression und Aufrüstung basiert, muss die feministische Vision einer andern, antikapitalistischen Sicherheitspolitik entgegen gestellt werden, die das Bedürfnis aller Frauen, Kinder und Männer dieser Welt nach gesichertem Lebensunterhalt, Bildung, Gerechtigkeit und Kreativität garantiert.
Korea: Gespräche statt Aufrüstung und Krieg
Im August lancierten südkoreanische Frauen-, Friedens-, Gewerkschafts- und Umweltorganisationen einen internationalen Aufruf gegen die Kriegsprovokationen der USA und fordern die friedliche Beilegung des Atomprogrammkonflikts. Durch eine breite Protestbriefaktion wollen sie die Ende August stattfindenden 6-Länder-Gespräche zwischen Nord- & Südkorea, den USA, China, Russland und Japan beeinflussen. Zum 50ten Jubiläum des Waffenstillstandes zwischen Nord- und Südkorea verurteilen sie die jahrzehntelange Militarisierung des Alltags und fordern, dass das Waffenstillstandsabkommen endlich durch einen Friedensvertrag ersetzt wird.
Drohungen und Sanktionen können die Pattsituation zwischen USA und Nordkroea im Nuklearstreit nicht lösen, sondern sie führen nur zu weiterer Eskalation, meinen die InitiatorInnen des Aufrufes weiter. Die Spannungen sind auf dem Höhepunkt angelangt und machen einen Krieg möglich. Die USA erhöhen ihre militärische Präsenz in der Region und drohen mit einem Präventivkrieg, Japan nutzt die Nordkorea-Krise, um rechtliche Beschränkungen ihrer Militäreinheiten zu lockern und deren Schlagkraft zu stärken und China und Südkorea setzen auf die Modernisierung ihrer Armeen. Dieser Trend muss gestoppt werden.
Mit der internationalen Briefaktion werden die beteiligten Regierungen aufgefordert, die Gefahr dieser wahnsinnigen Aufrüstung ernst zu nehmen und sich konstruktiven Gesprächen zu verpflichten. Die Forderungen lauten:
- Zivile Bedürfnisse müssen ins Zentrum des Friedensdialogs gestellt werden. Militärische Mittel bieten keine Lösung für den gegenwärtigen Streit.
- Sanktions- und Gewaltdrohungen sollen vom Verhandlungstisch ausgeschlossen werden, da sie in der Vergangenheit sinnvolle Gespräche blockiert haben.
- Bezüglich der Nuklearkrise soll nicht nur Nordkorea zur Abrüstung gezwungen werden, sondern auch die USA müssen von ihrer Erstschlag-Politik abrücken.
- Parallel zur Auflösung des nordkoreanischen Nuklearprogramms sollen sich die USA zu einer Sicherheitsgarantie und zur Aufhebung der Sanktionen verpflichten.
- Alle Vereinbarungen müssen die Hoffnungen der Zivilbevölkerung ernst nehmen, die nicht Krieg wünscht, sondern Versöhnung, Zusammenarbeit und die Wiedervereinigung der beiden Koreas.
Die Aktion war ein Erfolg. Laut der südkoreanischen Frauenorganisation «Woman Making Peace» wurden am 25. August den beteiligten Regierungen Unterschriften von 114 koreanischen und 48 ausländischen NGO’s und von 380 Einzelpersonen aus 43 Ländern überreicht.