Als die Uno-Generalversammlung Anfangs April mit grosser Mehrheit den Waffenhandelsvertrag annahm, jubilierten nicht nur NGOs. Auch die Rüstungsindustrie erhofft sich viel vom Arms Trade Treaty. Die Zukunft wird zeigen, wer sich zu Recht freut.
Die Twitter-Nachrichten von Michael Aron, einem hohen Beamten im britischen Aussenministerium, illustrieren exemplarisch, dass der Arms Trade Treaty (ATT) allein keine dubiosen Waffendeals verhindern wird. Kurz nachdem in New York der Vertrag angenommen war, schrieb Aron am Morgen des 2. April: «Fantastische Neuigkeiten! Die Uno verabschiedet den historischen Arms Trade Treaty!» Am Nachmittag desselben Tages berichtete er auf Twitter ebenso enthusiastisch von seinem Treffen mit dem libyschen Verteidigungsminister und dem Generalstabschef des nordafrikanischen Staates an Bord des britischen Kriegsschiffes HMS Kent. Das Thema: London möchte der libyschen Armee Kriegsmaterial für mehrere Milliarden verkaufen.
Kurz darauf teilte das Aussenministerium des Vereinigten Königreichs – in New York ein Verfechter des Vertrags – auch offiziell seine Sichtweise zum ATT mit: «Der Vertrag wird den legitimen Waffenhandel schützen: Der Vertrag anerkennt voll und ganz das Recht aller Staaten auf Selbstverteidigung und ihr legitimes Interesse an der Produktion, am Export und am Import von Waffen. Die neuen einheitlichen Standards werden die industrielle Zusammenarbeit voranbringen.»
Zu hohe Erwartungen
Die Rhetorik der britischen Regierung und anderer Staaten zeigt, dass der ATT die extrem hohen Erwartungen, die gewisse grosse NGOs hegen, kaum wird erfüllen können. Der Arms Trade Treaty ist voller Schlupflöcher und Kompromisse. Er wird höchstens die schlimmsten Auswüchse des internationalen Waffenhandels verhindern. Das Abkommen verbietet Rüstungsverkäufe nur dann, wenn ein Staat ein «überwiegendes» Risiko sieht, dass der Empfänger die Waffen für Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder für schwere Kriegsverbrechen verwenden wird. Auch der Geltungsbereich des ATT ist sehr beschränkt: An nichtstaatliche Akteure kann man auch nach der Annahme des Arms Trade Treaty nach Belieben Waffen verkaufen, auch wenn man weiss, dass damit schwerste Verbrechen begangen werden. Für Munition gelten die Regeln des ATT bloss teilweise, und zusätzlich sieht das Übereinkommen nur Einschränkungen bei Verkäufen von Kriegsmaterial vor, aber nicht bei Schenkungen. Dennoch: Die Weltgemeinschaft hat mit dem Entscheid bewiesen, dass sie den Waffenhandel als ernsthafte Gefahr für den Frieden und die Menschenrechte betrachtet. Und in den Händen von mutigen Gerichten, AktivistInnen und fortschrittlichen Regierungen kann der Vertrag durch aus zu einem Instrument werden, um besonders skrupellosen Waffenhändlern und Rüstungsfirmen das Handwerk zu legen.
Die Arbeit beginnt erst jetzt
Der mexikanische Uno-Botschafter erklärte in seiner Rede nach der Annahme des ATT, dass «die grosse Arbeit erst jetzt» beginne. Die GSoA wird sich das zu Herzen nehmen. Gemäss den neusten Zahlen des Stockholmer Friedensinstituts SIPRI gehört die Schweiz weiterhin zu den zehn grössten Pro-Kopf-Exporteuren von Kriegsmaterial, und regelmässig landen Schweizer Waffen in den falschen Händen: Schweizer Handgranaten in den Arsenalen von syrischen Extremisten, Schweizer Munition im libyschen Bürgerkrieg, Schweizer Militärflugzeuge, die in Darfur Flüchtlingscamps bombardieren. Derzeit lobbyiert die Rüstungsindustrie dafür, die Schweizer Kriegsmaterialgesetzgebung noch weiter zu verwässern. Sie wird versuchen, das Übereinkommen als Anlass zu nehmen, die Schweizer Regulierungen auf das Niveau dieses «internationalen Standards» zu drücken. Der Arms Trade Treaty ist für die GSoA ein Ansporn, endlich auch die Schweizer Kriegsmaterialexporte unter Kontrolle zu bringen. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass die Schweizer Gesetzgebung endlich korrekt umgesetzt wird.