Auf der Weltbühne spielen sich zahlreiche menschliche Katastrophen ab. Eine davon im Sudan.
Im Licht der Weltöffentlichkeit stossen viele Geschehnisse weitgehend auf Gleichgültigkeit. 70% der Geflüchteten kommen aus nur 5 Ländern: Syrien, Ukraine, Venezuela, Afghanistan und Sudan, von denen die meisten in einen schweren bewaffneten Konflikt verwickelt sind. Die internationale Aufmerksamkeit wäre wichtig und notwendig, um humanitäre Hilfe zu gewährleisten und diejenigen, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, vor Gericht zu bringen.
Trotz einer eskalierenden humanitären Katastrophe in Sudan ist in den Medien von einem “vergessen Krieg” die Rede. Ein Grund könnte sein, dass es aktuell zahlreiche Krisen und Konflikte auf der Welt gibt, die bei den meisten Menschen emotionale Erschöpfung hervorrufen. Ein anderer, unbarmherzigerer Ansatz würde es mit einer rassifizierenden Dimension erklären, mit einem weiteren Staat aus dem globalen Süden, der einem internen Konflikt erliegt das auf der Liste der westlichen Prioritäten ganz unten steht.
Jene, die über die Mittel verfügen, einzugreifen, um zumindest das humanitäre Recht durchzusetzen, der Zivilbevölkerung die Flucht zu ermöglichen und hoffentlich in naher Zukunft auf eine friedliche Lösung des Konflikts zu drängen- namentlich die UNO und die Afrikanische Union – haben seit mehr als einem Jahr fast nichts unternommen.
Der Ausbruch des Krieges kam zwar plötzlich, aber die Ursachen liegen in der jüngeren Vergangenheit: Im Jahr 2019 wurde der Diktator Omar al-Bashir dank der Zusammenarbeit zwischen der sudanesischen Armee und paramilitärischen Kräften durch einen Militärputsch gestürzt. Es wurde ein Abkommen über die Teilung der Macht zwischen Militär und Zivilisten geschlossen, das dem Land eine Zeit des Übergangs zu einer zivilen Regierung ermöglichen sollte. Doch schon bald wurde das Abkommen 2021 mit der Ausweisung des zivilen Gegenparts sabotiert. Anfang 2023 eskalierte die Situation schliesslich in einen Machtkampf zwischen den zwei rivalisierenden Militärkräften: Abdel Fattah al-Burhan (Armeegeneral und de facto Gouverneur des Landes) und Mohammed Hamdan Dagalo, bekannt als Hemedti, Kommandeur der paramilitärischen Rapid Support Force (RSF).
Beiden Konfliktparteien werden Kriegsverbrechen und systematische Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, darunter gezielte Angriffe auf die Zivilbevölkerung. Zehntausende haben ihr Leben verloren, mussten fliehen und sind Binnenflüchtlinge, während Hunger und Krankheiten die Bevölkerung heimsuchen, da es fast keine humanitäre Unterstützung oder Hilfe gibt. Die Lage ist unbeständig und chaotisch, mit Gewinnen und Verlusten auf beiden Seiten und ohne erkennbare Frontlinie.
Während die humanitäre Hilfe ständig behindert wird (auch hier wird der Zugang zu Nahrungsmitteln als Waffe im Krieg eingesetzt), floriert der Handel mit Waffen und Rüstungsgütern über die Nachbarländer, während beide Kriegsparteien militärische Unterstützung erhalten. In einem UN-Bericht vom Januar 2024 wurden glaubwürdige Anschuldigungen erhoben, dass die Vereinigte Arabische Emirate die RSF militärisch unterstützen und damit den Konflikt aktiv anheizen. Laut einer Recherche von Amnesty International werden Waffen und Munition aus Ländern wie China, Russland, Serbien, der Türkei und Jemen in grossen Mengen in den Sudan importiert. Dabei war Russland in der Vergangenheit der grösste Rüstungslieferant des Sudan und macht keinen Hehl aus seinen Ambitionen, in Port Sudan Fuss zu fassen und Zugang zum Roten Meer zu erhalten.
Doch was kann die Schweiz tun? Sie könnte zum Beispiel ihr Engagement für Frieden und Sicherheit im UNO-Sicherheitsrat nutzen als Forderung nach einem Waffenembargo für das gesamte Gebiet des Sudan und im Konflikt involvierte Parteien, nach Sanktionen gegen die Verantwortlichen für schwere Kriegsverbrechen und nach der Entsendung einer Friedensmission. Nicht zuletzt könnte die Schweiz in den Fonds für humanitäre Hilfe der UNO für den Sudan investieren, aus dem bis Ende Juni nur knapp 17 % des Ziels finanziert werden konnten.
*Nach Redaktionschluss ist bekannt geworden, dass Mitte August eine Friedenskonferenz zum Thema Sudan in der Schweiz stattfinden wird.