Wurde die amerikanische Präsidentschaftswahl von ausländischen Akteuren im Cyberraum beeinflusst? Sicher, aber ob der Einfluss einen Unterschied gemacht hat, ist schwierig zu sagen. Eine Übersicht über typische Methoden, die genauso gut für Abstimmungen in der Schweiz wie für Wahlen in Amerika eingesetzt werden könnten.
Hinweis (vielleicht in Box, oder sonst irgendwo prominent): Redaktionsschluss war mehrere Wochen vor den Wahlen.
Wahlen werden beeinflusst, seit es Wahlen gibt. In der modernen Geschichte zwischen 1946 und 2000 haben die USA und Russland (inklusive USSR) zusammengerechnet weltweit jede neunte Wahl beeinflusst und dabei durchschnittlich den Stimmenanteil ihres bevorzugten Kandidaten um 3% erhöht. Zu den traditionellen Methoden gehören unter anderem öffentliche Drohungen und Versprechen, geheime Spenden zuhanden bevorzugter Kandidaten und das Erstellen von Kampagnenmaterial zugunsten eines Kandidaten. Zu den besonders unehrenhaften Methoden gehören das Beschaffen und Veröffentlichen von schädigenden Informationen über einen Kandidaten, Veröffentlichung von Falschinformationen oder das Bedrohen von potenziellen Spender*innen der Gegenseite. Der Übergang von Wahlbeeinflussung zu Wahlfälschung und Staatsstreichen ist fliessend. Zum Beispiel zählen einige Autoren das Zerstören der Büros eines Kandidaten noch zur Wahlbeeinflussung. Ich werde mich aber auf gewaltfreie Methoden beschränken. Diese sind alle finanziell oder wirken im Informationsraum. Es ist offensichtlich, dass Wahlbeeinflussung im Informationsraum heute vorwiegend online geschieht. Weniger klar ist, ob es sich nur um die Digitalisierung von Altbekanntem handelt, oder ob die neuen Medien die Gefahr massgeblich steigern. Das kann man am besten an konkreten Beispielen abschätzen.
Finanzierung von Berichterstattung
Russland hat konservative Social Media Influencer in Russland mit Millionen von Dollar unterstützt, angeblich ohne deren Wissen. Das ist ziemlich klar die Digitalisierung von altbekannten Methoden. Ausgewählte Medienschaffende mit oder ohne deren Wissen zum eigenen Vorteil zu finanzieren, hat eine lange Tradition.
Hacking von politischen Kampagnen
Laut verschiedenen Quellen waren die Kampagnen von beiden Kandidaten das Ziel von versuchten Hacks, bei denen es darum ging, Informationen zu stehlen. Bei Trump hatte der Iran einen gewissen Erfolg und stahl unter anderem Material, mit dem sich Trump auf die Podiumsdiskussion gegen Harris vorbereitet hatte. Auch das Ausspionieren von Gegnern ist keine neue Entwicklung, ist aber auf digitalem Weg potenziell günstiger als wenn man physische Spione schicken muss.
“Deepfakes” – täuschend echte, gefälschte Bilder, Videos und Sprachaufnahmen
Deepfakes haben (bei Redaktionsschluss) nur eine relativ beschränkte Rolle gespielt – die Stimme von Biden wurde zur Beeinflussung einer Vorwahl gefälscht und in weniger bedeutenden Zusammenhängen wurden routinemässig Bilder generiert wie z.B. eine Pro-Trump-Werbung mit Taylor-Swift. Oft ersetzen und ergänzen Deepfakes nur die Arbeit von Grafikern und es gibt keine Hinweise, dass nach den Vorwahlen noch einmal mithilfe Generativer Künstlicher Intelligenz Wähler*innen auf eine relevante Weise getäuscht wurden.
Verbreitung von Falschinformationen
Wenn grosse Teile der Bevölkerung sich über unzuverlässige Quellen informieren und an Falschinformationen glauben, ist das eine der grössten denkbaren Bedrohungen für eine Demokratie. Falschinformationen wurden von Kandidat Trump genauso verbreitet wie von ausländischen Akteuren. Ungelenkte Social-Media-Dynamiken, die Falschinformationen fördern und eine politische Kultur, in der lügen zunehmend erlaubt ist, haben wohl einen grösseren Einfluss auf die Wahlergebnisse gehabt, als gezielte Beeinflussungsversuche aus dem Ausland.
Fazit
Keine dieser Bedrohungen könnte militärisch abgewehrt werden. Die Politikfinanzierung muss kontrolliert werden, jede Demokratie braucht eine gesunde Medienlandschaft, in der Falschinformationen gekontert werden und gegen Hacking braucht es Anreize für die Privatwirtschaft, sichere Software zu produzieren. Unkontrollierte Dynamiken auf profitorientierten Social-Media-Platformen führen zu mehr Falschinformationen in der Bevölkerung als ausländische Akteure und haben ein grösseres Potenzial, in der Zukunft schlimmer zu werden.
Bedrohungen aus dem Cyberraum spielen im schweizerischen sicherheitspolitischen Tagesgeschäft eine kleine Rolle. Deswegen widmen wir ihnen auch als GSoA oft wenig Zeit. Aber diese Themen werden mit der Zeit nur an Wichtigkeit gewinnen und es ist unsere Aufgabe als GSoAt*innen, dafür zu sorgen, dass bei der Abwehr dieser Bedrohungen die Menschenrechte und die Völkerrechte im Zentrum stehen! Deswegen veröffentlichen wir bis auf weiteres in der GSoA-Zeitung Lukas’ Cyberkolumne, in der sich GSoA-Sekretär Lukas Bürgi jeweils einem Thema aus dem Bereich annimmt. Lukas interessiert sich seit vielen Jahren für die Problematik, so liegt Cyber auch genau auf dem Schnittpunkt zwischen seiner Arbeit bei der GSoA und seiner Ausbildung als Informatiker (BSc ETH Inf.-Ing.). |
Literatur
A Vote for Freedom? The Effects of Partisan Electoral Interventions on Regime Type, Dov H. Levin, 2019. Das ist eine respektable Veröffentlichung, die von anderen respektablen Veröffentlichungen zitiert wird. Ob die Zahlen exakt stimmen, ist für diesen Artikel komplett irrelevant. Siehe zum Thema auch: “Cyberwar. How Russian hackers and trolls helped elect a president – what we don’t, can’t, and do know.”, Kathleen Hall Jamieson, 2018
Introducing PEIG 2.0: Sixty-nine years of partisan electoral interventions 1946–2014
https://www.politico.com/news/2024/08/14/google-iran-hackers-trump-biden-campaign-00174046
https://www.politico.com/news/2024/09/27/iranians-charged-trump-campaign-hack-00181454
https://www.theguardian.com/technology/article/2024/aug/24/trump-taylor-swift-deepfakes-ai