Die Mischung von top down und bottom up im Umweltschutz: das Konzept von EcoPeace im Nahen Osten.
Jordanien und Israel einigten sich 2023 bei der Strom- und Wasserversorgung zusammenzuarbeiten, die Unterzeichnung des Vertrags fiel dann dem Wahnsinn des Gazakriegs zum Opfer. Es wäre ein hervorragendes Projekt gewesen:
Jordanien hätte Solarstrom in seinen weiten Wüsten produziert und Israel den Strom für dessen Entsalzungsanlagen geliefert, Israel dafür Wasser ins trockene Jordanien.
In diesem Vertrag hätten die beiden Staaten die Vorschläge einer jahrzehntelangen Zusammenarbeit von jordanischen, palästinensischen, ägyptischen und israelischen Umweltwissenschaftler*innen übernommen, die dezidiert auf Augenhöhe zusammenarbeiteten. Durch die Nichtunterzeichnung blieb die Einsicht auf der Strecke, dass sich «Gerechtigkeit» auch an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort orientieren muss und nicht an Ideologie.
Der Hintergrund: Der Nahe Osten erwärmt sich intensiver als andere Regionen – mit katastrophalen Folgen. Diese Einsicht führte Umweltwissenschaftler:innen aus Jordanien, Palästinenser:innen aus den besetzten Gebieten, Israeli und Jordanier im Jahr 1994 in Taba (Ägypten) zu länderübergreifender Zusammenarbeit. Sie gründeten EcoPeace.
Das Ziel der Zusammenarbeit: den Umweltschutz in der gesamten Region zum Wohl von Mensch und Natur voranzutreiben, vor allem im Kontext von Wasserversorgung und Gewässerschutz. Die verbesserte Wasserversorgung sollte Konflikte reduzieren und den Umweltschutz stärken. Israel hatte im Bereich Wassernutzung vielfältiges Wissen (Wasserrecycling, Entsalzung von Meerwasser u.a), das damit auch der Region zugute kam.
EcoPeace achtete strikt auf die Gleichberechtigung aller Beteiligten.
Sogar während der Intifada gelang es EcoPeace, Strategien zur Erhaltung der Wasserqualität (Abwasser- und Abfallentsorgung) in der Region des Berg Aquifer zu entwickeln (Aquifer ist die Gebirgskette in der Westbank, die für die Wasserversorgung aller relevant ist). Sie schlugen diese den Gemeinden vor und förderten deren Umsetzung.
Besonders in Zeiten eskalierender Gewalt verstand es Ecopeace, Projekte nahe an den Bedürfnissen der Bevölkerung zu gestalten und damit Vertrauen aufzubauen. Konkret einigten sich alle darauf, den Jordan zu reinigen, einige Stellen zu renaturieren und den Zufluss zum Toten Meer, das auszutrocknen droht, zu erhalten. Sie bauten entlang dem Jordan Schulungszentren auf, in denen Jugendliche beider Seiten lernten, worum es beim Gewässerschutz geht. Sie setzten das dann auch gemeinsam um.
Einer der Gründer, Gidon Bromberg, schreibt dazu:
“Schon vor dem Ausbruch der zweiten Intifada im Jahr 2001 erkannte EcoPeace, dass mittel- und langfristige Interessen inmitten zunehmender Gewalt, des Verlusts von Hoffnung und Vertrauen nicht ausreichend relevant waren und dass man sich um die unmittelbaren Anliegen der Menschen kümmern muss …. Als Ende 2000 endlich die Finanzierung für das Projekt «Good Water Neighbours» gesichert war, wurde das neue grenzüberschreitende Gemeinschaftsprojekt mit dem Ausbruch der Gewalt im Jahr 2001 fast gestrichen….
EcoPeace gelang es jedoch, die Geldgeber davon zu überzeugen, dass eine Zusammenarbeit auf Gemeindeebene möglich ist…. Es umfasste zunächst 11 Gemeinden – 5 palästinensische, 5 israelische und 1 jordanische – und ist heute auf 26 Gemeinden angewachsen – 9 palästinensische, 8 israelische und 9 jordanische Gemeinden, grosse Städte und kleine Dörfer. (z.B. auch Jenin).”
EcoPeace wurde im Verlauf der Jahre zunehmend von beiden Konfliktparteien angegriffen. Ihre Aktivitäten wurden als Betrug, die arabisch-israelische Zusammenarbeit als Kollaboration bezeichnet. Sie diene den Interessen der „anderen Seite“.
Trotzdem macht EcoPeace das, was jeweils realisierbar ist: Im Moment engagieren sie sich für die dringend nötige Wasser- und Nahrungsversorgung der Menschen in Gaza.
Stärkere Zusammenarbeit bei der Wasser- und Stromversorgung hat eine wichtige
deeskalierende Wirkung und ist wirtschaftlich und ökologisch für alle Beteiligten sinnvoll.
Sie muss – vor allem in Krisenzeiten – durch zivilgesellschaftliche Organisationen von
unten getragen werden. Die Finanzierung für solche zivilgesellschaftliche Friedensbildung – wie EcoPeace – wird in der Schweiz aktuell gekürzt, weil das Budget für internationale Zusammenarbeit (IZA) stattdessen für militärische Pseudo-Sicherheit ausgegeben werden soll.
Der Hoffnungsschimmer:
EcoPeace wurde im Januar 2024 als Anwärter für den Nobelpreis nominiert.
Die Kernidee ist somit auf internationaler Ebene angekommen. Sie wird auch in anderen Regionen der Welt, z.B. Indien-Pakistan; Kosovo – Herzegovina und im MENA Raum (Nordafrika) umgesetzt.EcoPeace macht auch im Nahen Osten weiter mit der eigenen Erfahrung zwischen top down und bottom up.