Willkürliche Hobbyjustiz

Seit gut einem Jahr werden in der Armee Disziplinarbussen ausgesprochen. Mehr als. 200’000 Franken Bussgeld wurden seither eingenommen. Klare Richtlinien für Disziplinarstrafen fehlen nach wie vor.

Das neue Bussensystem wurde am 1. März 2004 eingeführt. Es ermöglicht – neben den bis anhin bereits bestehenden Disziplinarstrafen wie dem Verweis, der Ausgangssperre und dem Arrest – Geldbussen von maximal 500 Franken für Vergehen im Dienst und Fr. 1’000 Franken für Vergehen ausserhalb des Dienstes zu verhängen. Was trotz Einführung des Bussensystems nach wie vor unverändert bleibt, ist die Ausübung der Disziplinarstrafgewalt. Ein Kommandant, der beispielsweise einen Rekruten für einen Disziplinarfehler mit 500 Franken büsst, tut dies auch zukünftig nicht auf Basis eines klar definierten Bussenkataloges, sondern interpretiert das Militärstrafgesetz nach eigenen Ermessen. Gemäss dem Oberauditor im VBS ist man der Meinung, dass die im Rahmen des Führungslehrgangs angeeigneten juristischen Kenntnisse durchaus ausreichen, zu entscheiden, welche Art der Strafe in welcher Höhe angemessen sei? Ein Test oder eine Prüfung, bei welchem das dazu notwendige Wissen nachzuweisen ist, existiert nicht und ist auch für die Zukunft nicht vorgesehen.

Blindes Vertrauen

Das Vertrauen seitens VBS in sein Führungskader überrascht. Das Nachrichtenmagazin «Facts» deckte vor kurzem unhaltbare Zustände in der Armee auf: Unter dem Titel «Chaos-Truppe» war von Verhör-Übungen à la Abu Ghraib, bizzaren Ritualen und versagenden Offizieren zu lesen. SP-Nationalrätin Barbara Haering verlangt in diesem Zusammenhang nun ein Konzept für die Führung der Armee. Diese Zustände lassen kaum vermuten, dass das Rechtsempfinden tatsächlich ausreichend vorhanden ist beziehungsweise genügend geschult wurde, um juristisch anspruchsvolle Fragen wie beispielsweise das Verhältnismässigkeitsprinzip, das Gleichbehandlungsgebot oder das Gebot der schuldangemessenen Strafzumessung seriös zu beurteilen. Bedenklich ist zudem, dass gegen die 640 bis Ende 2004 verhängten Bussen lediglich vier Soldaten von ihrem Einspruchsrecht beim Bataillonkommandanten Gebrauch gemacht hatten. Dies beweist im Gegensatz zur VBS-Interpretation nicht, dass die Strafen von den Bestraften als rechtmässig beurteilt wurden – sondern lässt vermuten, dass die Betroffenen nicht oder zu wenig über ihre Rekursmöglichkeiten informiert wurden.

Rekurs einreichen lohnt sich

Dass dort, wo Rekurs eingereicht wird, Erfolgschancen bestehen, beweist zumindest ein Fall, bei dem das Militärappellationsgericht einem Rekurrenten Recht geben musste und die Disziplinarbusse von 500 Franken auf 300 Franken reduzierte (da die persönlichen Verhältnisse des Rekurrenten bei der Strafzumessung nicht angemessen berücksichtigt wurden). Gebüsste Soldaten sind folglich gut beraten, die gegen sie verhängten Disziplinarstrafen mit sämtlichen ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln zu bekämpfen (Mehr zu den rechtlichen Möglichkeiten von Soldaten im Panzerknacker). So kann gegen das Willkürsystem im VBS angegangen werden. Die politische Forderung der GSoA lautet nach wie vor: Abschaffung der Militärjustiz. Am besten gleich mit der ganzen Armee.