Zivildienstkolumne

Die zivilen Ressourcen würden nicht mehr ausreichen, um die Flüchtlinge zu betreuen, bedauerte Bundesrat Arnold Koller. Deshalb müsse die Armee ran. Wären Zivildienstleistende nicht weit besser geeignet, Flüchtlinge zu betreuen? Viele haben sich in den letzten Wochen diese Frage gestellt. Bisher leisteten rund 60 Zivildienstler ihren Einsatz im Asylbereich. Der Zivildienst in seiner heutigen Form ist aber nur schlecht dafür geeignet, bei der Lösung akuter Probleme mitzuhelfen. Einerseits hat der Zivildienst keine eigenen Strukturen. Zivildienstleistende werden fast ausschliesslich in bestehenden Institutionen eingesetzt. Wer wo eingesetzt wird, hängt weitgehend von den Interessen der Zivildienstleistenden und den Werbeanstrengungen der Einsatzbetriebe ab. Andererseits ist die Zahl der anerkannten Zivildienstleistenden bisher zu gering. Seit der Einführung des Zivildienstes vor zwei Jahren sind 3520 Gesuche eingereicht worden, 1893 Personen wurden zugelassen, 560 Gesuche zurückgezogen oder abgewiesen, die übrigen Antragssteller warten auf einen Entscheid. Leider ist der Eingang der Gesuche rückläufig.

An sich würden Zivildienstleistende gute Voraussetzungen für den Einsatz im Asylbereich mitbringen. Sie könnten dadurch, dass sie meist mehrmonatige Einsätze leisten, eine kontinuierliche Betreuung gewährleisten. Aber vor allem: Sie haben einen anderen Hintergrund. Die Armee geht grundsätzlich mit einer defensiven Haltung an die Betreuungsaufgaben heran. Dies zeigte sich etwa daran, dass einer der ersten Ausbildungspunkte für die künftigen «Betreuungssoldaten» Selbstverteidigung war – auf gut schweizerisch mit einem Spitzenschwinger. Es ist auch psychologisch unklug, wenn Menschen, die vor Soldaten geflüchtet sind, wieder in die «Obhut» von Uniformierten zu geben. Was müsste getan werden, um den Zivildienst vermehrt auch in akuten Problemsituationen einzusetzen? Erstens müsste die Zulassung zum Zivildienst deutlich erleichtert werden. Viele Männer, die sich an sich für den Zivildienst interessieren, lassen sich durch Gewissensprüfung und die deutlich längere Zivildienstdauer abschrecken. Ein erster, wenn auch sehr zaghafter Schritt wurde vom Bundesrat kürzlich getan: Angehörigen religiöser Gemeinschaften können auch ohne persönliche Anhörung zum Zivildienst zugelassen werden. Zweitens müssten Strukturen geschaffen werden, die einen raschen und gezielten Einsatz von Zivildienstleistenden ermöglichen.

Dann müsste Bundesrat Koller nicht mehr bedauernd auf die Armee zurückgreifen und die Flüchtlinge würden besser – nämlich von freiwilligen Zivildienstleistenden und nicht von abkommandierten Soldaten – betreut.