Die grüne Nationalrätin Lisa Mazzone ist bei der GSoA eigentlich allen bekannt. Sie ist Co-Präsidentin von Civiva sowie Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates und hat uns als Co-Präsidentin der Allianz gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer einige Fragen beantwortet.
Wie steht es um Waffenexporte in der Schweiz?
Die Schweiz ist ein neutrales Land mit einer starken humanitären Tradition. Waffenexporte sind somit grundsätzlich problematisch. Im Moment sind sie durch Vorschriften geregelt, die nur dank dem Druck, der durch die GSoA-Initiative «Für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» im Jahr 2009 entstanden ist, zustande gekommen sind. Entgegen der Versprechen, die der Bundesrat im damaligen Abstimmungskampf gemacht hatte, lockert er ständig das Regelwerk gemäss den Wünschen der Rüstungsindustrie. Noch schlimmer ist, dass diese Regeln ständig umgangen werden. Schweizer Handgranaten in den Händen des IS sind nur ein Beispiel dafür. Ein Bericht hat ans Licht gebracht, wie nahe sich die Rüstungsindustrie und die Behörde, welche eigentlich die Kriegsmaterialausfuhr kontrollieren sollte, stehen.
Was beinhaltet die Lockerung der Kriegsmaterialverordnung (KMV), die der Bundesrat anstrebt? Warum kommt diese Entscheidung jetzt?
Die Lockerung sieht vor, dass die Rüstungsindustrie in Zukunft Kriegsmaterial in Bürgerkriegsländer exportieren könnte. Die notwendige Mehrheit für diese endgültige Lockerung kam erst durch die Wahl von Ignazio Cassis in den Bundesrat zustande. Gleichzeitig beklagt sich die Rüstungslobby ständig über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, denen sie begegnet. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus: Die Exporte sind im Jahr 2017 um acht Prozent gestiegen und die Schweiz gehört zu den Top Ten der Waffenexporteure weltweit. Entgegen jeglichem gesunden Menschenverstand hat sich der Bundesrat erneut aus die Seite der Rüstungsindustrie gestellt.
Was sind die Auswirkungen der Lockerung der KMV für die Schweizer Aussenpolitik?
Die Waffen könnten in Länder geschickt werden, in denen ZivilistInnen internen Konflikten zum Opfer fallen. Beispielsweise bedeutet dies, dass Kriegsmaterial wieder in die Türkei gesendet werden könnte, wo Angst und Willkür regieren. Wir verlieren ebenfalls jegliche Glaubwürdigkeit in unserer Rolle als Friedensstifterin. Wie kann man ein neutraler Vermittler sein, wenn man Waffen an eine der Konfliktparteien verkauft?
Warum muss man sich dieser Änderung widersetzen?
Als Land, in dem die Genfer Konventionen hinterlegt sind und als Heimat des Roten Kreuzes, soll die Schweiz Frieden exportieren, nicht Krieg. Sie darf weder den mit Blut befleckten Geldscheinen hinterherrennen, noch Kriege unterstützen. Sie muss im Gegenteil ihr Engagement bei der Konfliktlösung fortsetzen.
Haben Waffenexporte auch innenpolitische Auswirkungen?
Die Ausgaben für das Militär haben sich seit dem Ende des Kalten Krieges weltweit verdoppelt. Bewaffnete Konflikte bringen menschliches Leid mit sich, beispielsweise Hungersnöte. Diese Instabilität zwingt Tausende von Menschen dazu, aufzubrechen und Schutz an einem anderen Ort zu suchen. Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit hilft zwar den Ländern im Kampf gegen Korruption und für Nachhaltigkeit, doch die Waffenexporte machen diese Bemühungen wieder zunichte. Das ist absolut kontraproduktiv. Die Schweiz muss sich dafür entscheiden, für den Frieden einzustehen.
Zu guter Letzt: Warum sollte man nicht direkt alle Waffenexporte verbieten?
Das wäre mein Traum! Dann könnten wir endlich mit unserer humanitären Tradition im Reinen sein. Leider hatte das Stimmvolk nicht den Mut dazu, als es 2009 um die Initiative der GSoA ging. Das mehrheitlich rechte Parlament war damals ebenfalls klar dagegen. Wir versuchen nun den Schaden in Grenzen zu halten, indem wir darauf achten, dass die Regeln eingehalten werden.