Um einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen, sind Deeskalation, ein sofortiger Waffenstillstand und die Einhaltung des humanitären Völkerrechts erforderlich. Wir sollten die Fähigkeit der Menschen, in Dialog und Solidarität zu investieren, nicht unterschätzen.
Seit einem Jahr verdunkelt die Gefahr eines weitreichenden Krieges im Nahen Osten die Zukunft der Region. Nachdem Netanjahu mit seinem wahnhaften Ziel, die Hamas zu vernichten, krachend gescheitert ist, baut er eine zweite Front im Libanon auf, wo ein Jahr der Gefechte mit der Hisbollah zu einer israelischen Invasion ausartete. So reiht sich auch die gezielte Auseinandersetzung mit den Blauhelmen, die sich im Rahmen der Unifil-Beobachtungsmission im Libanon aufhalten, in einer langen Reihe von Verstössen gegen das humanitäre Völkerrecht ein. Diese müssen ein Ende haben müssen. Diese Strategie der israelischen Regierung hat die soziale und politische Spaltung des Landes verschärft, die Familien der Geiseln im Stich gelassen und die Welt schockiert.
Im vergangenen Jahr wurde die Zivilbevölkerung regelmässig ins Visier genommen, während Zehntausende Menschen starben, verletzt wurden und aus ihren Häusern fliehen mussten. Sowohl die Hamas als auch die Regierung Netanjahu wollen blindlings ihre eigenen Interessen durchsetzen: Das Leid der Zivilbevölkerung, das durch den Krieg und die aktuelle Eskalation verursacht wird, kümmert sie am wenigsten.
Der Terroranschlag vom 7. Oktober wird in die Geschichte Israels als einer der schlimmsten Angriffe auf die jüdische Bevölkerung Israels eingehen, der unzählige zivile Opfer forderte und viel Leid und Unsicherheit verursachte. Dadurch haben sich die tief in der israelischen Bevölkerung verwurzelten Ängste bestätigt, nämlich dass das jüdische Volk nirgendwo sicher sein wird, nicht einmal in dem Staat, der zu seinem Schutz gegründet wurde. Die Notwendigkeit, sich mit Waffen zu verteidigen, ist ein fester Bestandteil der Identität des israelischen Volkes: Nie mehr Opfer, sondern jede Generation ist aufgerufen, ihren Teil für die Sicherheit des Landes zu leisten. Sie ist tief in der israelischen Gesellschaft verwurzelt, da die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung die Armee weitgehend unterstützt und jedes Jahr alle volljährigen Menschen zum Militärdienst einberufen werden.
Was im Oktober letzten Jahres passiert ist, geschah nicht in einem Vakuum, genauso wie es nicht der Beginn der Geschichte dieses Krieges war. Seit Generationen wütet die Gewalt im Nahen Osten und führt zu kollektiven und individuellen Traumata, die ein Klima des Misstrauens schaffen, das es Extremisten ermöglicht, die Ängste der Menschen auszunutzen. Seit Jahrzehnten eskaliert die Spirale der Gewalt immer weiter, besonders blutig im letzten Jahr.
Die Spaltung die zwischen dem israelischen und dem palästinensischen Volk herrschten, haben sich massiv verstärkt. Der Krieg im Gazastreifen, in dessen Verlauf bereits Zehntausende von Menschen getötet wurden, hat eine tief verwurzelte Angst des palästinensischen Volkes bestätigt: Die Angst, dauerhaft vernichtet und aus ihrem Land vertrieben zu werden.
Auf kurze Sicht muss die internationale Gemeinschaft alles tun, um einen Waffenstillstand und ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln zu erreichen. Dies erfordert eine koordinierte globale Anstrengung, nicht nur in Worten, sondern auch in Taten. Zu diesem Zweck muss die Schweiz ihre Position an der Spitze des UN-Sicherheitsrats im Oktober 2024 nutzen: Das Land hat bereits ein Mandat der UNO erhalten, um in den kommenden Monaten ein Treffen der Parteien der Genfer Konvention über Konflikte im Nahen Osten einzuberufen.
Obwohl die Mehrheit der internationalen Gemeinschaft ein Ende des Krieges fordert, exportieren mehrere Länder, darunter die Schweiz, weiterhin Kriegsmaterial in die Konfliktregion. Um zur Deeskalation beizutragen, ist es unerlässlich, dass die Schweiz sofort alle militärischen Kooperationen und Rüstungsbeziehungen mit Israel und anderen Ländern des Nahen Ostens aussetzt. Hierfür haben wir als GSoA Mitte Oktober einen wirksamen Appell lanciert.
Gerechter Frieden darf weder reine Rhetorik noch ein kurzfristiges Ziel sein, sondern ist ein langer und schwieriger Prozess: Er bedeutet eine tiefgreifende Umwandlung des Status quo, die in Solidarität mit allen Menschen erfolgen und zwei gleichberechtigte Völker, ein arabisch-palästinensisches und ein jüdisch-israelisches voraussetzt. Es gilt, aktiv an die Möglichkeit zu glauben, eine Zukunft aufzubauen, in der Palästina, Israel und die gesamte nahöstliche Region friedlich zusammenleben können.