Erneuter Frontalangriff auf den Zivildienst

Im Zuge des Kriegs in der Ukraine lässt die bürgerliche Ratsmehrheit keine Gelegenheit aus, ihre Macht zu nutzen. Nach dem undemokratischen Durchboxen der F-35-Beschaffung und der unsäglich überdimensionierten Armeebudgeterhöhung folgt nun ein erneuter Angriff auf den Zivildienst – obwohl erst vor zwei Jahren eine Verschärfung abgelehnt wurde.

Der Bundesrat klagt schon länger über drohende Bestandslücken bei Armee und Zivilschutz (darauf kommen wir noch zurück). Mitte-Rechts sieht dabei den Zivildienst als Problem, weil zu viele Männer diesen Weg einschlagen würden. Deshalb stand vor zwei Jahren eine Verschlechterung der Bedingungen für Zivildienstleistende im Raum, die zum Glück vom Parlament abgelehnt wurde. Doch weil die Bürgerlichen merkten, dass sie den Krieg in der Ukraine ausnutzen und sich militärpolitisch so ziemlich alles erlauben können, kommt der Frontalangriff auf den Zivildienstes erneut aufs Parkett. Zusätzlich fordert die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (SiK-N) nun die sofortige Zusammenlegung von Zivildienst und Zivilschutz. 

Zentrale Unterschiede

Der Bericht des Bundesrates über die Alimentierung von Armee und Zivilschutz sieht diese Massnahme bei einer von zwei möglichen Dienstpflichtrevisionen ebenfalls vor. Der SiK-N kann es aber nicht schnell genug gehen. Wie auch beim Armeebudget wird in unüberlegt schnellem Tempo agiert. Diese Zusammenlegung ist in mehrerer Hinsicht problematisch und auch viel komplexer, als sie vielleicht den Anschein macht. Zivildienst und Zivilschutz haben eigene Strukturen und Logiken, die sich schwer vereinbaren lassen. Der Zivilschutz bereitet sich auf Extremfälle vor, der Zivildienst hilft zugunsten des gesamten Wohlergehens der Gesellschaft. Sie werden auch unterschiedlich rekrutiert: Zivildienst aus Gewissensgründen, Zivilschutz bei Untauglichkeit. Zudem ist der Zivildienst national organisiert, während der Zivilschutz kantonal verwaltet wird. So ist auch das Problem der Unterbestände im Zivilschutz zu lösen, es gibt Kantone mit ungenutzten Reserven, während andere zu wenig Leute haben. Es ist ein Verteilungsproblem, das sich diese Organisation selbst geschaffen hat. Der Zivildienst muss nun dafür hinhalten, indem Zivildienstleistende künftig zu Zivilschutzeinsätzen gezwungen werden könnten.

Das Märchen des Bestandsproblems

Doch auch für die Armee ist der Zivildienst keine Bedrohung, anders als immer behauptet wird. Die Armee hat einen Sollbestand von 100’000 Menschen, aktuell liegt der Bestand bei 151’000. Aufgrund vorgenommener Anpassungen bei der Dienstpflicht und zunehmenden Abgängen in den Zivildienst, sei die Armee gefährdet. Dieses Märchen wird schon lange erzählt, wahrer wird es trotzdem nicht. Das Onlinemagazin Republik hat jüngst vorgerechnet, dass die Armee ab 2023 sogar zu gross sein und dadurch eine widerrechtliche Grösse erreichen wird (Stand dieses Artikels ist Dezember 2022). Ebenso wurde aufgezeigt, dass nicht nachvollziehbar ist, weshalb das VBS von Unterbeständen ausgeht. Die Zahlen sind stabil, die Armee hat kein Bestandsproblem.