In den letzten Monaten hat der Nischen-Begriff «Nichtwiederausfuhr-Erklärung» den Weg in die breite Öffentlichkeit gefunden. Nichtwiederausfuhr-Erklärungen sollen verhindern, dass Schweizer Kriegsmaterial in Staaten landet, in denen Menschenrechte schwerwiegend und systematisch verletzt werden. Das Prinzip ist einfach: wenn ein Staat wie Deutschland Kriegsmaterial in der Schweiz kauft, unterzeichnet dieser eine Erklärung, das Kriegsmaterial nicht weiterzuverkaufen. Zur Weitergabe benötigt es eine Bewilligung der Schweizer Behörden.
Bürgerliche Kreise kritisieren diese Regelung nun scharf: Sie würde die Unterstützung der Ukraine im Krieg behindern. Dabei ging es im Fall der Ukraine um die Weitergabe von kleinen Mengen an Schweizer Munition, die militärisch kaum Einfluss auf den Kriegsverlauf gehabt hätten. Die 12’000 Schuss Munition wären im Gefecht innert 15 Minuten verbraucht worden. Die Parteien von FDP bis SP überboten sich in den nationalen Parlamenten mit Vorschlägen, wie diese Regelung gelockert und somit Schweizer Rüstungsgüter indirekt in die Ukraine gelangen könnten. Der FDP-Vorschlag schoss weit übers Ziel hinaus und hätte Tür und Tor für die Weitergabe von Waffen in autoritäre Staaten geöffnet. Aus diesem Grund stieg auch die SP in die Debatte ein. Die Folge: Unglaubliche sechs Vorstösse von FDP bis SP, die bis heute im nationalen Parlament diskutiert werden. Damit verstrickte sich das Parlament in einen Nebenschauplatz. Von den Vorschlägen hat bisher keiner eine Mehrheit gefunden. Dort wo das grosse Geld und somit auch viele mächtige Hebel sind, um den Krieg zu beeinflussen, wird weiterhin weggeschaut. Bis zum Ausbruch des Ukraine-Kriegs verkaufte Russland Erdöl und Kohle über Schweizer Rohstoffhandelsfirmen in die ganze Welt. Ob Russland diese Geschäfte weiterhin in der Schweiz tätigt, wissen die Schweizer Behörden nicht. Daten zu diesem Transithandel existieren keine. Genauso wenig zu interessieren scheint, wo sich die restlichen 192 Milliarden befinden.
Diese Debatte lenkt von den wesentlichen Hebeln der Schweiz ab und dient allein den Bürgerlichen, das Kriegsmaterialgesetz auszuhöhlen. Die Schweiz hätte mit der Abschaffung der Nichtwiederausfuhr-Erklärung keine Kontrolle mehr darüber, in welchen Staaten hiesiges Kriegsmaterial landen würde. Dies höhlt das Kernanliegen des Gegenvorschlags der Korrekturinitiative aus, welcher erst im Mai 2022 in Kraft getreten ist und im Parlament mit deutlicher Mehrheit angenommen wurde. Zudem sollten wir nicht vergessen, dass es trotz des historischen Erfolgs der Korrekturinitiative noch grosse Schlupflöcher in der Schweizer Kriegsmaterialgesetzgebung gibt: Die Behörden haben weiterhin die Möglichkeit, auf Nichtwiederausfuhr-Erklärungen zu verzichten, wenn es sich um Einzelteile oder Baugruppen von Kriegsmaterial handelt, die im Ausland in Produkt eingebaut werden. So wird heute etwa die Hälfte des Kriegsmaterials ohne Nichtwiederausfuhr-Erklärung an Staaten verkauft, die sie teilweise an Staaten weitergeben, die Menschenrechte schwerwiegend verletzen oder in bewaffnete Konflikte verwickelt sind.
Am konsequentesten wäre die Schweiz, wenn sie gar keine Kriegsmaterialexporte dulden würde, wie die GSoA seit jeher fordert. Zum einen, da Waffen hergestellt werden, um Menschen zu töten, nicht um Frieden zu stiften. Zum anderen würde eine solche Praxis keine Zweifel an der Vereinbarkeit mit der Neutralität aufwerfen und wäre konsequent in der Haltung, dass keine Waffen in Konflikten oder menschenrechtsverletzenden Staaten landen sollten.