Das Ende der Friedensdividende

Anlässlich des Erscheinens des Widerspruch Nr. 53 veröffentlichen wir hier eine stark gekürzte Version des Artikels «Die Schweiz als Profiteurin der weltweiten Remilitarisierung»

Die nach dem Kalten Krieg verbreitete Hoffnung, mit dem Ende der bipolaren Weltordnung werde das Wettrüsten abnehmen und die Militärausgaben könnten schrittweise zivilen Verwendungen zugeführt werden, wurde enttäuscht. Zwar sanken die weltweiten Ausgaben für Rüstung und Militär nach Schätzungen des Stockholmer Instituts für Friedensforschung SIPRI von 1988 bis 1996 um rund 30 Prozent. Doch seit 1998 steigen die Aufwendungen für militärische Zwecke wieder, wobei die grössten Zuwachsraten auf die beiden Jahre vor und zu Beginn des Irak-Krieges entfallen. 2006 lagen die weltweiten Militärausgaben mit 1’204 Milliarden US-Dollar inflationsbereinigt nur noch 3 Prozent unter der Marke von 1988.

Und die quantitative Re-Militarisierung ist längst nicht der einzige Grund zur Besorgnis: Die Vereinten Nationen werden zunehmend marginalisiert und fügen sich in die Rolle, völkerrechtswidrige Kriege nachträglich zu mandatieren. Die Zahl der Atommächte ist gestiegen, Abrüstungsverträge sind ebenso unter Beschuss geraten wie das Folterverbot, und obwohl gerade die Rüstungsindustrie gerne auf die gestiegene Präzision ihrer «intelligenten» Bomben hinweist, ist das Verhältnis von zivilen zu militärischen Opfern in bewaffneten Konflikten stetig angestiegen: Waren im Ersten Weltkrieg rund 10 Prozent der Todesopfer ZivilistInnen, so sind es bei den aktuellen Kriegen gegen 90 Prozent.

Neue Feindbilder

Die Feindbilder und Bedrohungsszenarien, die zur Legitimation der Verteidigungsbudgets herangezogen werden, haben sich gewandelt: Die «kommunistische Gefahr» wurde vom «islamistischen Terrorismus» abgelöst; in Europa werden oft auch humanitäre Motive für militärische Interventionen geltend gemacht. Dass in Wirklichkeit meist wirtschaftliche Interessen den Ausschlag geben, hat der im März 2003 begonnene Irak-Krieg nur allzu deutlich gemacht. Bereits im April 2001, drei Monate nach Amtsantritt der Bush-Administration, wurde in der «Energy Task Force» eine Studie diskutiert, welche ein militärisches Eingreifen im Irak forderte.

Auch in Kolumbien, Saudiarabien und Georgien schützen US-amerikanische Soldaten Pipelines und Raffinerien. Der amerikanische Professor Michael Klare spricht von einem stetigen Wandel des US-Militärs hin zu einer globalen «Öl-Schutzmacht». Und auch die anderen Grossmächte bleiben nicht untätig: China ist vor allem in Zentral- und Westafrika aktiv; Russland ringt mit den USA um Einfluss rund um das Kaspische Meer. In der EU steht neben der Rohstoffsicherung die Migrationsabwehr im Fokus der Militärstrategen. Die europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen (Frontex) wird massiv aufgerüstet, und der deutsche Verteidigungsminister Franz Joseph Jung begründete den Einsatz von deutschen Soldaten im Kongo wie folgt: «Es geht auch um zentrale Sicherheitsinteressen unseres Landes! Wenn wir nicht dazu beitragen, den Unruheherd Kongo zu befrieden, werden wir mit einem grossen Flüchtlingsproblem in ganz Europa zu tun bekommen – möglicherweise noch dramatischer als beim Bosnienkrieg!» Auf die Frage, ob es auch um wirtschaftliche Interessen gehe, antwortete er: «Die stehen hier nicht im Vordergrund. Aber Stabilität in der rohstoffreichen Region nützt auch der deutschen Wirtschaft.»

Die Rolle der Schweiz

Auch die Schweiz, die sich gerne als humanitäre und neutrale Kraft präsentiert, ist auf vielfältige Weise in das Geschäft mit dem Krieg involviert. Sie dient sich den an Rohstoffkriegen beteiligten Akteuren einerseits als Finanz- und Handelsplatz an; aufgrund steuerlicher Privilegien für Holdings ist der Kanton Zug zur führenden Drehscheibe im globalen Rohstoffhandel geworden. Andererseits liefert sie Waffen an die kriegführenden Staaten. 85 Prozent der Schweizer Waffenausfuhren gingen 2006 an Staaten, die sich am «Krieg gegen Terror» im Irak und in Afghanistan beteiligen. Gegen diese indirekte Kriegsbeteiligung der Schweiz richtet sich die Volksinitiative «für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten», die im September letzten Jahres mit 109’224 gültigen Unterschriften eingereicht wurde.