Heilige Kuh sucht Heiligenschein 

Ob Finanzloch, Liquiditätsengpass oder keins von beidem: Die Armee macht sich lächerlich. Dass dies keinerlei Konsequenzen nach sich zieht, ist nicht weiter erstaunlich. Die GSoA fordert eine vollständige Aufarbeitung und eine nüchterne Bedrohungsanalyse.

Wir haben Ende Januar. Die Armee kommuniziert, dass sie gezwungen sei, auf zwei bereits geplante und budgetierte Publikumsanlässe (“Armeeshows”) zu verzichten. Die Freude ab dieser ungewohnten Vernunft währte nicht lange. Wenige Tage später – Anfang Februar – dann der Paukenschlag: SRF-Recherchen vermeldeten, dass der Armee 1.4 Milliarden Franken fehlen, um offene Rechnungen in den kommenden Jahren zu begleichen. Daraufhin sah sich die Armee zu einer eigenen Kommunikation gezwungen. An der entsprechenden Pressekonferenz bestätigte Thomas Süssli ziemlich unbeholfen, dass es Finanzprobleme gebe, titulierte diese schönfärberisch als “Liquiditätsengpässe”. Er liess auch Vorwürfe an die Politik nicht aus, die mit ihrem Entscheid letzten Dezember, das Armeebudget erst bis 2035 anstatt 2030 auf 1% des BIP aufzustocken, unvernünftig gehandelt habe. Die Armee drohe ihr Heer nicht mehr adäquat ausrüsten zu können, sollte man weiterhin mit dermassen wenig finanziellen Mitteln auskommen müssen. Zu Recht fragten sich Politiker*innen und Medien, ob Armeechef Thomas Süssli mit solchen Gebaren nicht zu weit gehe und damit zum 8. Bundesrat verkomme. Süssli wurde sogar von ganz oben gerügt. Bundesrat Ignazio Cassis kritisierte sein Verhalten vor versammelter Offiziersgesellschaft, was auch den Medien nicht entging. 

Mach, was du willst

Alles, was auf dieses turbulente Kommunikationschaos folgte, lässt einem ratlos zurück. Es überkommt einem je länger je mehr das Gefühl, dass die Armee dieser Tage machen kann, was sie will. Öffentliche Kritik der GSoA und den linken Parteien verhallt in Windeseile, die Medien interessieren sich nur marginal für dieses Versagen. Im Gegenzug aber wird weiter über neue Beschaffungen entschieden. Nur wenige Wochen nach dem Kommunikationschaos bei der Armee winkte der Gesamtbundesrat neue Beschaffungen durch. Auch das Parlament wird Ende Mai aller Voraussicht nach die Armeebotschaft 2024 mitsamt neuen Milliarden-Beschaffungen genehmigen. Letztlich stellt sich sogar die Frage: War es ein politisches Kalkül, die Armee als kaputtgesparte Institution medial darzustellen, um mehr Legitimität in Politik und Bevölkerung zu schaffen? Die GSoA forderte in diesem Zusammenhang völlige Transparenz und eine lückenlose Aufarbeitung der Lage, bevor irgendwelche neuen Ausgaben getätigt werden. Letzteres geschah in Teilen: Die Finanzkommission beugte sich über die Geschehnisse, um festzustellen, dass finanzpolitisch alles in Ordnung sei, einzig die Kommunikation Süsslis sei überaus unglücklich verlaufen. Und so kommt sowohl die Armee mit ihrem Chef Süssli, als auch die skandalträchtige Bundespräsidentin Viola Amherd (siehe Zitig Nr. 197) ungeschoren davon. Sie haben den Segen der Politik weiterhin und wissen nun, dass solche hysterische Panikmache als Weckruf für die Politik dienen kann. Denn die Wahrscheinlichkeit steht gut, dass diese Angstmacherei dazu führt, dass Geldwünsche der Armee  von der Schuldenbremse ausgenommen werden und die Bürgerlichen diese weiterhin unkritisch genehmigen. So bleibt uns als GSoA nur folgendes übrig: Der Armee beharrlich auf die Finger zu schauen, Süsslis Rücktritt zu fordern und – wie im Artikel hier ausführlich geschildert – für eine nüchterne Bedrohungsanalyse einzustehen. 


Ende März kam es zu einem seltenen Rencontre: GSoA-Sekretär Jonas Heeb kreuzte die verbalen Klingen mit dem Armeechef Thomas Süssli höchstpersönlich. Im Rahmen eines Schüler*innenpodiums in Bern diskutierten die beiden über Frieden. Interessanterweise waren Süsslis Ausführungen zum Frieden sehr knapp – auch wenn er natürlich ebenfalls für Frieden sei. Vielmehr blieb er bei seiner Erzählung, wie furchtbar schlecht die Armee aufgestellt sei – nicht, dass die anwesenden Schüler*innen noch im Zivildienst landen!  

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