Das seit kurzem auf Deutsch erhältliche Buch «Schwarzbuch Waffenhandel – Das globale Geschäft mit dem Tod» von Andrew Feinstein ist eine detailreiche Analyse des schmutzigen Geschäftes mit Waffen.
Feinsteins Zugang zu diesem Thema ist ein direkter und persönlicher. Als Parlamentarier des ANC in Südafrika war er in der parlamentarischen Kommission, die sich mit Rüstungsgeschäften befasste. Dabei musste er mit ansehen, wie die junge Demokratie nach Ende der Apartheit viel Geld für Waffen ausgab, statt damit die sozialen Probleme des Landes zu lösen.
Geplant war der Kauf von Kriegsschiffen sowie Kampfflugzeugen des Typs Gripen. Insgesamt sollten dafür fünf Milliarden Pfund ausgegeben werden. Der weltweit zweitgrösste Rüstungskonzern BAE hatte sich mit der neuen Regierung gut gestellt und via Mittelsmänner bis zu 100 Millionen Pfund an Bestechungsgeldern zur Sicherung des Geschäftes bezahlt.
Als Parlamentarier der zuständigen Kommission begann Feinstein mit der Untersuchung der Korruptionsvorwürfe. Doch die Arbeit der Parlamentskommission wurde immer stärker behindert. Feinstein bekam aus höchsten Regierungskreisen und Parteiämtern zu spüren, dass eine genauere Untersuchung politisch nicht gewünscht sei. Im Jahre 2001 trat er aus Protest gegen die Einstellung der Untersuchung zurück und lebt seither als Journalist in London. Feinstein arbeitet seine persönlichen Erfahrungen im Buch ein und zeigt anschaulich die Folgen des Waffenhandels und die Hindernisse bei der Aufklärung von Korruption auf.
Ein Schwerpunkt von Feinsteins Buch liegt auf British Aerospace (BAE). Dies ist der zweitgrösste Rüstungskonzern weltweit, der zusammen mit Saab das Joint Venture Gripen International gründete, um die Gripen Kampfjets an Südafrika zu verkaufen (und dasselbe jetzt in der Schweiz versucht). Bei diesen Verhandlungen wurde wie immer mit Kompensationsgeschäften geworben. Wie diese konkret aussahen zeigt ein erhellendes Beispiel. In der südafrikanischen Stadt Port Elizabeth sponserte BAE die Renovierung von Heizbädern mit drei Millionen Dollar sowie eine Werbekampagne in Schweden zur Ankurbelung des südafrikanischen Tourismus. Für diese kleine Investition konnte sich Gripen International allein im Jahre 2005 Gegengeschäfte im Wert von 218 Millionen Dollar anrechnen lassen. Denn für jedeN Schwedische BesucherIn in Südafrika durfte Gripen International fast 4’000 Dollar geltend machen.
Dass politische Einflussnahme auch in andern Ländern geschieht, zeigte sich bald darauf. So musste Feinstein in London mitansehen, wie die britische Antikorruptionsbehörde SFO (Serious Fraud Office) ihre Untersuchung über die Korruptionspraktiken der britischen Rüstungsindustrie, allen voran BAE, einstellte. Dies geschah einerseits aufgrund grossen politischen Drucks seitens der britischen Regierung. Zudem unterzeichnete BAE auch ein Schuldeingeständnis für die Anwendung korrupter Praktiken. Dafür musste die Firma eine Strafe von 286 Millionen Pfund bezahlen, verhinderte so aber, dass die Strafbehörden ihre Untersuchungsergebnisse veröffentlichten.
Schweizer Bankkonten, geheime Verträge und ein Bundesgerichtsurteil
Natürlich darf auch die Schweiz in diesem Buch nicht fehlen. Beispielsweise mit den Waffengeschäften des notorischen Waffenhändlers Heinrich Thomet. Immer wieder schreibt Feinstein auch über Schweizer Bankkonten und Tarnfirmen, über die Bestechungsgelder verschoben wurden. Ebenso wurde die Schweiz für eine besondere Form der doppelten Vertragsunterzeichnung verwendet. So wurde bei einzelnen Waffengeschäften von BAE zuerst in London ein normaler Vertrag unterzeichnet und kurz darauf in der Schweiz ein zweiter Vertrag. In diesem wurde die Zahlung der Bestechungsgelder via Mittelsmänner festgelegt. Diese lagen in der Höhe von einigen dutzenden bis zu hunderten von Millionen Franken. Extra für solche Vertragsunterzeichnungen mietete BAE Büros in Genf.
Dass Feinstein in seinem Buch auch Waffenhändler interviewt und zu Wort kommen lässt, macht einen besonderen Reiz des Buches aus. So zeigen sich darin immer wieder die teilweise skurrilen Moralvorstellungen von im Waffenhandel tätigen Personen. Der armenisch-libanesische Waffenhändler Joe der Hovsepian hatte während des Jugoslawienkrieges in Verletzung eines UNO-Embargos Waffen an die kroatische Regierung geliefert. Diese weigerte sich jedoch anschliessend, den gesamten geforderten Preis zu bezahlen. Darauf verklagte der Waffenhändler vor Schweizer Gerichten den kroatischen Staat. Das Bundesgericht urteilte, dass zwar allein der Bruch eines UN-Embargos (die Schweiz war damals noch nicht Mitglied der UNO) die Auflösung des Vertrages nicht rechtfertigte, dass jedoch die Waffenlieferung nach Kroatien unethisch war und sowohl die schweizerische, wie auch die universelle öffentliche Ordnung verletzte.
Waffenhandel zerstört Demokratien
Der Fall von Südafrika, aber auch der Umgang der britischen Regierung mit ihrem Rüstungskonzern und der Untersuchung seiner Geschäfte, bezeugen einmal mehr, dass nicht nur illegaler Waffenhandel ein Problem ist. Auch der ganz gewöhnliche und legale zwischenstaatliche Handel mit Waffen lässt eine ganze Schattenwirtschaft an LobbyistInnen und BeraterInnen von Provisionen leben und mit Millionenbeträgen PolitikerInnen und Parteien beeinflussen und bestechen. Dass die Mischung aus militärischer Geheimniskrämerei, Geheimdiplomatie und Staatsraison zur Vertuschung der Korruption und zur Unterdrückung parlamentarischer wie juristischer Untersuchungen führt, erstaunt nicht. Dabei sollte – spätestens nach der Lektüre des Buches – klar sein, dass auch die westlichen Demokratien vor solchen Praktiken nicht gefeit sind.