Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerates (SiK-S) will eine Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes zugunsten der Rüstungsindustrie, die über die zahlreichen Vorstösse im Zusammenhang mit der Ukraine hinausgeht. Ein neuer Artikel 22b im Kriegsmaterialgesetz soll den Bundesrat befähigen, von den Bewilligungskriterien bei Kriegsmaterialexporten per Notrecht abzuweichen. Der Vorschlag stammt im Wortlaut aus dem Gegenvorschlag der Korrekturinitiative, der vom Parlament gestrichen wurde. Die GSoA verurteilt dieses demokratiepolitisch fragwürdige Vorgehen sowie das Aushöhlen des Kernanliegens der Korrekturinitiative.
Bewilligungskriterien eines Empfängerlandes von Kriegsmaterial sind zum Beispiel die Respektierung der Menschenrechte, dass sich das Land nicht in einem bewaffneten Konflikt befindet oder die Einhaltung des Völkerrechts. Davon soll der Bundesrat wenn es nach der SiK-S geht, künftig abweichen können. Das Absurde daran ist, dass der vorgeschlagene neue Artikel 22b im exakt selben Wortlaut beim Gegenvorschlag der Korrekturinitiative von Bundesrat selbst vorgeschlagen wurde. Damit wollte er sich ein Schlupfloch offenhalten. Diese Regelung hätte dem Bundesrat die Kompetenz zugeschrieben, Ausnahmen vom Ausfuhrverbot von Kriegsmaterial in Länder, die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen, vorzusehen. Die SiK-S kopierte nun kurzerhand diese Ausnahmeklausel, um sie erneut aufs Tapet zu bringen.
Beide Kammern haben diese Ausnahmeklausel während der Beratung der Korrekturinitiative im Jahr 2021 abgelehnt und rausgestrichen. Das hatte auch seine Richtigkeit, Ziel der Korrekturinitiative war es, die Exportbestimmungen zu Demokratisieren. Mit dieser Ausnahmeklausel hätte der Bundesrat per Notrecht mehr Macht erhalten, was der Demokratisierung diametral entgegensteht. Zudem wäre die Gefahr hoch gewesen, dass diese Klausel sich stärker an den wirtschaftlichen Interessen der Schweizer Rüstungsindustrie als an den humanitären Verpflichtungen der Schweiz orientiert. «Die Streichung dieser Ausnahmeklausel war damals eine zwingende Bedingung für das Initiativkomitee, um die Initiative zurückzuziehen. Nun will die SiK-S die Grundsätze, die das Parlament erst vor zwei Jahren beschlossen hat, über Bord werfen und die in derselben Legislatur abgelehnte Ausnahmeregelung wieder einführen. Das ist für die GSoA unhaltbar.», kommentiert Anja Gada, GSoA-Sekretärin, das Vorhaben.
Dieses Vorgehen ist nichts als Zwängerei. Die SiK-S torpediert mit diesem Vorgehen bereits getroffene parlamentarische Entscheide und respektiert diese nicht. Dass bereits im Voraus abgelehnte Anliegen seit Kriegsausbruch in der Ukraine im Parlament erneut eingebracht werden, hat System: Erst noch im März überwies der Ständerat eine Motion der SVP, welche den Zivildienst unattraktiver machen soll. Diese Motion beinhaltete fast exakt dieselben Forderungen, wie sie der Bundesrat bereits 2019 in einer Botschaft präsentierte, jedoch vom Parlament abgelehnt wurde. Dasselbe soll nun auch mit dem Kriegsmaterialgesetz geschehen: «Die bürgerliche Mehrheit der SiK-S nutzt einmal mehr die Gunst der Stunde des Kriegs in der Ukraine, um ihre Forderungen durchzudrücken. Das haben wir auch beim Armeebudget so erlebt», sagt GSoA-Sekretär Jonas Heeb.
Die SiK-S argumentiert bei dieser Motion mit der Stärkung der Rüstungsindustrie. Schon seit Jahren klagt die Rüstungslobby über ihre angebliche Schwächung aufgrund unattraktiver Bedingungen in der Schweiz. Die Zahlen zeigen jedoch ein komplett anderes Bild. Die Kriegsmaterialexporte der Schweiz waren 2022 auf einem Allzeithoch im Wert von über 950 Millionen CHF. Heeb meint dazu: «Der Rüstungsindustrie geht es blendend. Für die GSoA ist diese Motion nicht hinnehmbar. Sowohl inhaltlich wie auch aus demokratischen Gesichtspunkten.»