Die Bosse der Rüstungsindustrie möchten die blutigen Auswirkungen der Kriegsmaterialexporte unter den Teppich kehren. Nicht alle sind dermassen unsensibel und blind. An die GSoA wandte sich ein Eisenbahner, der sich so seine Gedanken über die Mowag-Exporte machte.
Von O.R.*
Ich war Betriebsdisponent auf dem Bahnhof Kreuzlingen Bernrain, von wo aus die Mowag ihre Panzer auch heute noch verschickt. Dabei kümmerte ich mich, zusammen mit den anderen Angestellten, um die kommerziellen und betrieblichen Angelegenheiten dieses Kleinbahnhofes. Wenn die Mowag einen Güterzug bestellte, stellten wir die vorbereiteten Wagen an die Rampe, damit die Panzer direkt drauf fahren konnten. Wir kümmerten uns auch um die Ausfertigung der Frachtpapiere und die Stellwerkbedienung beim Rangiermanöver.
Eigentlich sind das ja keine Tätigkeiten, die direkt mit dem späteren Einsatz der Piranhas als Tötungsmaschine zusammenhängen. Trotzdem machte ich mir Gedanken darüber. Vor allem dann, wenn ich aufgrund der Frachtpapiere sah, dass die Panzer in ein Land verschickt wurden, wo man mit Sicherheit weit Intelligenteres mit dem Geld hätte anfangen können, zum Beispiel den Menschen Lesen und Schreiben beibringen, den Hunger bekämpfen, für sauberes Trinkwasser sorgen.
Ein Blick in die Kristallkugel
Nicht selten kam es Jahre oder auch nur Monate später zu einem Konflikt im Zielland. Waffen wie der Piranha werden nicht einfach für die Privatsammlung eines Potentaten eingekauft, sondern werden gezielt und massgeschneidert auf den Einsatz vorbereitet. Aufgrund der Bewaffnung und Ausrüstung muss dem Hersteller auch klar sein, für was das Kriegsgerät eingesetzt werden wird. Es gibt also seit der ersten Kontaktaufnahme von Käufer und Verkäufer keine Herren mit weissen Westen mehr. Ein guter Verkäufer hat den Ehrgeiz, seine Kunden sehr genau zu kennen.
Für mich war der Verlad von Mowag-Panzern an der Rampe des Bahnhofs Bernrain immer ein zuverlässiger Blick in die Kristallkugel. Innert absehbarer Frist brach die Ordnung im Empfängerland zusammen und die Piranhas kamen zu ihrem Einsatz.
Gedanken eines Bahnangestellten
Wieso machte ich mir überhaupt Gedanken darüber, dass ich mit meinem Arbeitsbeitrag an der Ausführung der Transporte ebenfalls eine, wenn auch kleine, moralische Schuld auf mich geladen hatte? Meine Arbeit beschränkte sich ja auf einen bürokratischen Akt, ein paar Telefongespräche und Stellwerkbedienungen.
Die Eisenbahner der Deutschen Reichsbahn während des Zweiten Weltkrieges, die Wagen bereitstellten für den Vormarsch der Wehrmacht, die Güterzugs-Fahrpläne errechneten, um ganze Landstriche Europas leerzuplündern, die Viehwaggons zu Deportationszügen zusammenstellten, hatten auch nichts anderes gemacht, als «ihre Arbeit». Ein kühler, emotionsloser bürokratischer Akt reiht sich an den andern. Jeder hat nur einen kleinen Teil dazu beigetragen und keiner kann wirklich zur Verantwortung gezogen werden… und doch war jeder einzelne nötig. Was würde geschehen, wenn einer in dieser ganzen Reihe seine Arbeit verweigern würde?
Aus diesen persönlichen Erfahrungen und Überlegungen werde ich die GSoA-Initiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten unterschreiben und möchte weitere Menschen dazu animieren, dies auch zu tun.
*Der Autor wünscht anonym zu bleiben, ist aber der Redaktion bekannt.