Diskussionen zur GSoA II

Von weich zu hart

von Claudio Bernasconi

Im Unterschied zu Andreas Gross, den ich einlade, bei uns zu bleiben, bin ich absolut für die Lancierung einer zweiten Armeeabschaffungsinitiative. Seine taktisch abwartende Haltung, sein zu pragmatischer und moderater Standpunkt überzeugen mich überhaupt nicht. Nach einer Denkpause, nachdem wir uns auch zu Einzelthemen geäussert haben (Militärausgaben, F/A-18, Zivildienst, Waffenausfuhr, etc.), müssen wir den radikalen antimilitaristischen Diskurs einer umfassenden Friedenspolitik wieder aufnehmen. Von der weichen Linie wieder auf die harte – das ist nicht kontraproduktiv! Wenden wir jetzt wieder, mehr noch als früher, unsere antimilitaristischen Kräfte (und die katholischen, anarchischen, sozialistischen) dem Kampf um die Ideale zu, an die wir glauben: Friede, Solidarität, Selbstbestimmung der Völker. Keine Genugtuung für die «Kriegsherren», die schon immer unser Ende prognostiziert haben. Angesichts der Skandale und der Korruption im EMD ist die Abschaffung der Armee nötig.

Zum ersten Mal abstimmen

von Danilo Baratti

Hören wir auf, uns vor einer Niederlage zu fürchten. Das Ziel solcher Initiativen ist nicht der Sieg oder ein besseres Abstimmungsresultat als beim ersten Mal (was übrigens nicht unwahrscheinlich ist). Wenn wir von einer Schweiz ohne Armee sprechen, so stellen wir fundamentale Fragen (der Vernunft und des Gewissens), ohne dass die Diskussion von anderen Themen verschleiert werden kann. In der Stop F/A-18-Initiative konnte man gut beobachten, wie militärische und ökonomische Motive in der Debatte vorherrschten. Eine Abschaffungsinitiative stellt dagegen wieder die Kritik an der Armee ins Zentrum. Dies ist meiner Meinung nach die Aufgabe der GSoA. Themen wie die Reduktion des Militärbudgets können wir getrost der in- stitutionalisierten Linken überlassen, sie aber dabei unterstützen. Im übrigen wird der Militärapparat aus Gründen der Entwicklung des Staates und der Armee selber ohnehin reduziert. Deshalb unterstütze ich die Initiative als Mittel zu einer breiten Diskussion über die Armee, Frieden und Krieg. Vergessen wir nicht, dass bei einer nächsten Abstimmung, die nicht vor 1999 stattfinden wird, eine ganze Generation, die 18- bis 30-jährigen (1989 waren die 18-jährigen noch nicht stimmberechtigt) zum ersten Mal über diese Frage abstimmen dürfen. Was die Initiativ-Entwürfe anbelangt: Der Artikel 4 der ersten Initiative erstaunt mich sehr. Vielleicht haben sich die Verfasser besonders verantwortungsvoll, realistisch, gemässigt geben wollen. Ich glaube jedoch, dass er ein zweischneidiges Schwert ist. Überdenken wir ihn nochmal.

Klotz am Bein

von Edy Zarro

Antimilitaristische Propaganda ist in jedem Augenblick nötig und am Platz. Deshalb bin ich für eine neue Initiative für die Abschaffung der Armee. Seit der Lancierung der ersten Initiative sind mehr als zehn Jahre vergangen. Problematisch ist eher die Art und Weise der Lancierung. Wir dürfen uns keine Illusionen machen: Auch mit dieser Initiative werden wir die Armee nicht abschaffen. Darum ist es unnötig, Wortspielereien zu betreiben und uns den Anschein politischer Respektabilität verleihen zu wollen. Die antimilitaristische Propaganda muss eine ethische Spannung haben und klar sein; sie darf sich nicht unnötigem Taktieren anpassen, um Sympathien bei anderen Kreisen zu erheischen. Meine Haltung gegenüber den Initiativ-Entwürfen ist folgende: Dem ersten Artikel der ersten Initiative («Die Schweiz hat keine Armee») stimme ich voll zu, auch den Punkten 2 und 3, hingegen lehne ich Punkt 4 vehement ab. Von der «breit abgestützten Zusammenarbeit zwischen Staaten» haben wir genügend Beispiele gesehen, um zu wissen, dass sie der Freiheit und Selbstbestimmung der Individuen nicht gerade förderlich ist. Davon können wir nichts Gutes erwarten. Was die in Betracht gezogenen «bewaffneten Einheiten von maximal 800 Freiwilligen» betrifft (sofern dies nicht ein Witz ist), so kann daraus nichts gedeihen, weil solches Taktieren einige irreführt und niemanden zufriedenstellt. Der zweite Vorschlag, der nicht einmal die Abschaffung der Armee vorsieht, interessiert mich einfach nicht. Entweder stellt man eine radikale antimilitaristische Forderung auf, oder man lässt es bleiben und wartet auf bessere Zeiten, ohne hinderliche «Politiker» als Klotz am Bein.

Armee ohne Souveränität?

von Gabriele Rossi

In politischen Begriffen kann ich gar nicht ausdrücken, ob ich für oder gegen eine neue Armeeabschaffungsinitiative bin. Vom Standpunkt eines aus Altersgründen Entlassenen wäre es eine wunderbare Sache: eine hohe und nicht egoistische Vorstellung von Neutralität. Im nächsten Jahrhundert sind wir ohnehin in einem geeinten Europa oder mindestens davon umgeben. Im ersten Fall müsste sich die Schweizer Armee völlig an die Strategien und ans Material der anderen Armeen anpassen, im zweiten wäre sie in der Lage eines Belagerten ohne Ausweg – und damit wäre die Schweiz auch nicht mehr souverän. Und was bleibt von einer Armee, die keine Souveränität mehr ver- teidigen kann? Sie ist ein Trugbild.Auch mit gutem Willen ist es unmöglich, mir eine akzeptable Rolle für eine künftige Armee vorzustellen und noch viel weniger eine Armee, die der Ausdruck des Volkswillens und seiner Werte ist. Nur ein Friedensdienst könnte diese Funktion erfüllen, die Gräben im Land überwinden und nach aussen wirken. Allerdings ist die wahrscheinlichere Alternative zu dieser Hoffnung eine Berufsarmee, die von einem gleichgültigen und desolidarisierten Volk finanziert wird. Angesichts der intelligenten Bomben ist es verrückt, sich auf sein Hirn zu verlassen. Mobilisieren wir doch das Herz.

Fiebermessen

von Theo Mossi

Meiner Meinung nach wäre es angebracht, wieder über die Abschaffung der Armee abzustimmen. Das Motiv ist vor allem masochistischer Art: Angesichts der sich verdüsternden sozialen Lage würde uns das Fiebermessen mittels einer Abstimmung erlauben, den Gesundheitszustand des Staates festzustellen. Mehr oder weniger todgeweiht? Ein anderes Motiv – das einzugestehen mir Mühe bereitet, da ich nicht an Alchimie gewöhnt bin – ist von spekulativer, ja sogar opportunistischer Natur. Nehmen wir einmal an, der Tendenz der letzten Abstimmungsresultaten folge eine allgemeine Abneigung gegen Politik und dass bei einer Abstimmung über die Armee nur diejenigen an die Urne gingen, die wirklich für die Abschaffung sind. Dann könnte es passieren, dass 15 bis 20% der Stimmberechtigten über das Schicksal unserer ruhmbedeckten Armee entscheiden würden. Das ist eine ziemlich hässliche Überlegung, die auf Gleichgültigkeit baut.aber für einmal würde es mir passen. Ich bin mir jedoch bewusst, dass es so nicht ablaufen wird, dafür werden die Supermänner in Feldgrau und ihre Kollegen von der Waffenindustrie schon sorgen. Sie werden die versteckten und offe- nen Ängste der Söhne und Töcher Helvetias zu schüren wissen. Vielleicht habe ich zu viele Bücher von Paco Ignacio Taibo gelesen: Dort gelingt es den VerliererInnen immer, sich irgendwie durchzuschlagen – nicht immer auf orthodoxe Art und Weise – und ab und zu versetzen sie den Mächtigen sogar einen schweren Kinnhaken.

Was verteidigen?

von Jean-Michel Dolivo

Die Verlautbarungen von Bundesrat Ogi über die Notwendigkeit einer schweizerischen Beteiligung an der «Partnerschaft für den Frieden» unter der Ägide der NATO, die Skandale im EMD, der Erschöpfungstod eines Rekruten und das befangene Urteil der Militärgerichtsbarkeit in dieser Sache, die Massaker in Tschetschenien – diese nicht vollständige Aufzählung zeigt klar, wie dringend die Stärkung der Friedensbewegung in der Schweiz, in Europa und der ganzen Welt ist. Mit dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 und dem Zusammenbruch der Sowjetunion Ende 1991 hat die gefährliche und kostspielige Kriegsmaschinerie in den Augen der Öffentlichkeit die Funktion verloren, die ihr das Armee-Establishement zugeschrieben hat. Nun suchen die Generalstäbe und die politischen Gremien in den Vereinigten Staaten wie in Europa und der Schweiz verzweifelt nach einer neuen Legitimation für ihre überrüsteten Armeen. Die Bewegung für Abrüstung und Frieden, gegen Militarismus, hat in der Schweiz und in Europa eine völlig andere Vorstellung davon, was Verteidigung heissen soll: Was verteidigt werden muss, ist das Projekt einer solidarischen und gleichberechtigten Gesellschaft! Dieser Geist lebt in den neuen Initiativ-Projekten der GSoA für eine Schweiz ohne Armee. Wenn wir die Armeen abschaffen und Krieg unmöglich machen wollen, dann ist es nötig, sie zu lancieren.

Frische Impulse

von Philipp Ginsig

Damit die GSoA frische Impulse erhält und eine zweite Initiative für eine Schweiz ohne Armee Realität wird, muss sie eine Kampagne entwickeln, die Jugendliche interessiert. Die Erarbeitung einer GSoAII soll für viele junge Menschen eine neue Motivation sein, sich ernsthaft mit dem Thema einer Schweiz ohne Armee auseinanderzusetzen.

Es ist an der Zeit zu handeln

von Werner Carobbio

Nach Einführung der sogenannten Armeereform 95, die theoretisch den Bestand der Schweizer Armee von über 600000 auf ca. 400000 Mann reduziert, hat unter militärischen Kreisen bereits die Debatte über die weitere Zukunft der Armee begonnen. Dank Bevölkerungsrückgang und Finanzschwierigkeiten hat Bundesrat Ogi vor kurzem sein Reformprojekt ‹Armee 2005› lanciert. Es ist vorgesehen, die Bestände auf ein bisschen mehr als die Hälfte der in der Armee 95 vorgesehenen zu reduzieren. Stossrichtung: Professionalisierung. Dem Beispiel Frankreichs folgend, spricht man jetzt auch in der Schweiz über eine professionelle, in die NATO integrierte Armee. Man entspricht dabei weitgehend den Thesen aus dem Bericht über Sicherheitspolitik der Gruppe Schoch. Auch der Beitritt zur Partnerschaft für den Frieden ist als kurzfristiges Entscheidungsziel in die politische Agenda aufgenommen worden. All dies macht die Lancierung einer neuerlichen Initiative für die Abschafffung der Armee und zur Einführung eines Friedensdienstes aktuell und nötig. Es geht um die Auslösung einer breiten öffentlichen Debatte: über die Illusion einer bewaffneten Landesverteidigung für die Sicherheit der Schweiz, über die unakzeptable, in die NATO integrierte Profi-Armee und über die Notwendigkeit eines Friedensdienstes als Bedingung für den Beitritt zur Partnerschaft für den Frieden.

Eiskalt rational

von Patrick Lohri

Ist es vernünftig, jetzt eine neue Armeeabschaffungsinitiative zu lancieren oder nicht? Das ist hier die Frage. Vernunft ist also angesagt, zuviel Vernunft, finde ich – oder ist die Vernunft eine neue (gsoatische) Heilige Kuh? Auch in der GSoAII? Das neue Argumentarium, klar, vernünftig und eiskalt rational: Schade, dass unter PazifistInnen nur noch so diskutiert wird. Mir fehlen emotionale, psychologische, philosophische oder gar religiöse Argumente. Bei den meisten jungen Menschen in meinem Alter kommt die Ablehnung der Armee und das Nicht-Mitmachen-wollen in erster Linie aus dem Bauch oder aus eigener Betroffenheit. Selbstverständlich gehören vernünftige Argumente auch zu einer guten Dis- kussion. Vernunft darf aber nicht alles sein, schliesslich sind es auch unvernüftige Menschen, die die Welt verändern und verändert haben. Was die Menschen bewegt, sind immer noch Gefühle und nicht zuallererst die Vernunft.

Aktuell

von Gerhard Leuenberger

Für mich ist es keine zweite Armeeabschaffungsinitiative im eigentlichen Sinne, weil ich 1989 noch nicht stimmberechtigt war. Ich bin auch der Meinung, dass die Hinterfragung von militärischen Mitteln und deren Berechtigung immer wieder neu erfolgen muss. Ausserdem könnten in der sich daraus ergebenden Diskussion neue Ideen zur Konfliktlösung erarbeitet werden. Der Versuch, Konflikte im ehemaligen Jugoslawien mit Waffengewalt zu lösen, hat Tausende von Menschen das Leben gekostet. Warum setzen wir uns nicht viel mehr für Institutionen ein, die sich um eine Konfliktbewältigung ohne Waffen bemühen, bevor militärisch gekämpft wird? Es gibt keine plausible Antwort auf diese Frage. Darum bleibt eine Armeeabschaffungsinitiative und die damit verbundene Suche nach Alternativen aktuell.

Schnelle Autos, Steaks und Quickies

von Nadine Hess

Sprachlosigkeit, durchzogen von schmunzelnden Mundwinkeln, überfiel mich, als ich letzthin einen Artikel über das Männermagazin <Men’s Health> las: «Was Sie schon immer über Männer wissen wollten: Sie sind scharf auf schnelle Autos, Steaks, Quickies und Schweizer Offiziersmesser» (logo!). Inmitten der Innerschweizer Berge wird es mitunter bedrohlich eng; die erholsame, inspirierende Weite fehlt. Heute ist wieder eine Zeit, in der alle politischen Bemühungen verschwindend klein erscheinen. Klein in ihrer Ausrichtung, klein in ihrer Möglichkeit, Wirklichkeit antastbar zu machen. Doch auch das Heute ist die Zeit, die wieder Bewegung braucht, Utopien in den Alltag einlassen sollte. Es herrscht eine Ohnmacht, ein Verstummen an nötiger Infragestellung. Die GSoAII könnte das geeignete Organ sein, um dieses grosse Schweigen zu durchbrechen. Um vernetzt, mit anderen Friedensorganisationen die Momentaufnahme des Nicht-Krieges zu verlassen, um einen ehrlichen Zustand des Friedens zu erreichen. Die Ausarbeitung neuer Möglichkeiten an Konfliktlösungsstrategien, der Friedensforschung im allgemeinen, erscheint mir als sehr wichtig, um das Ziel, die Überwindung des Militärischen, erreichbar zu machen.

GSoA als Hoffnungsträgerin

von Alain Morand

Ich befinde mich jetzt in diesem Alter, wo Kollegen und Freunde sich unscheinbar für 15 Wochen absetzen und dann wieder, meist ein bisschen verändert, zurückkehren. Gerade weil ich diese Zeit jetzt sehr intensiv miterlebe, steigt mein Unmut gegenüber dieser Armee und dem dazugehörenden Zerstörungspotential. Ich meine das Zerstörungspotential gegenüber diesen jugendlichen Perspektiven und Idealen, die spätestens in der RS plattgewalzt und gleichgeschaltet werden. Unsichere und labile Geschöpfe werden zu Militärköpfen gemacht, Aufmüpfigen wird der Tarif durchgegeben, sie werden isoliert. Angesichts dieser und vieler weiterer Tatsachen halte ich es für wichtig, dass die GSoA wieder hoffnungsvolle Signale aussendet und konkrete und verbindliche Zeichen in Richtung Armeeabschaffung und umfassender Friedenspolitik setzt. Meiner Ansicht nach kann eine erneute Diskussion um die Zukunft der Schweiz ohne bewaffnete Landesverteidigung nur mit dem verbindlichen Mittel einer Initiative lanciert werden. Unverbindliche Diskussionsabende, wie an der VV vorgeschlagen, genügen nicht mehr, haben zu wenig Brisanz. Der zügige Fahrplan hingegen der AG GSoAII (an der VV leider ein wenig zurückgestutzt) setzt kurzfristige und konkrete Ziele, die für die Mitarbeit an einer neuen Initiative und für eine breite Diskussion unheimlich motivierend sind; eben ideal für solche, denen es nicht zu schnell gehen kann.

Mit zwanzig

Ich bin 14 Jahre alt und hoffe sehr auf ein Gelingen der Initiative ‹Sicherheit statt Verteidigung›. Das nachstehende Gedicht habe ich selbst geschrieben:

Mit zwanzig

Mit zwanzig werde ich sein ein Mann
Ob ich es zu dieser Zeit wohl wirklich schon kann?
Na ja, ist nicht so wichtig, es geht ja noch lang
Und doch nimmt es mich wunder, wie es sein wird dann

Eines ist sicher: Ich werde es lernen müssen
Und wenn ich nicht will, so werde ich büssen
Und doch werde ich eines nicht lernen
Weil ich es nicht will

Alle Männer müssen es lernen
Und viele wollen es nicht
So wie ich
Und viele andere auch

Es gibt viele, die es schon können
Und wir sollten es lernen
Wir, die Unmündigen, sollen uns freuen
Es auch mal zu können

Einmal im Jahr werden sie gefeiert
Die, die es können und ihre Vorfahren
Sie sind es
Denen die Schweiz zu Dank verpflichtet ist

Sie haben gekämpft für die Schweiz
Und wir sollten es auch tun
Später mit einundzwanzig
Und mit zwanzig sollten wir es lernen

Doch ich werde es nicht lernen
Ich werde nicht lernen, Schaden anzurichten
Ich werde nicht lernen, Elend zu verursachen
Ich werde nicht lernen zu töten!

Im Jahr 2000 lancieren

von Marco Baudino

lch begrüsse die Idee, eine Initiative zur Abschaffung der Armee zu lancieren, unter anderem deswegen, weil damit mehr als 10 Milliarden Franken für sinnvollere Zwecke verwendet werden können. Einen pragmatischen Gedanken gilt es jedoch zu erwägen: Die öffentliche Diskussion über die Entmilitarisierung wird in den nächsten vier Jahren anhand der friedenspolitischen Initiativen der SP und anderer (Reduktion der Militärausgaben und Verbot der Kriegsmaterialausfuhr) geführt werden. Mit einer baldigen Lancierung eigener Initiativen würden wir diese Debatte eher beeinträchtigen und das EMD hätte ein Argument mehr gegen die friedenspolitischen Initiativen – denen ich sonst gute Chancen einräume. Auch die zahlreichen Spannungsherde in Europa erleichtern unsere Auf- gabe nicht. Ausserdem hat der EMD-Chef eine Armeereform 2005 angekündigt, die er in der Debatte demagogisch einsetzen kann. Ich möchte deshalb vorschlagen, mit der Lancierung bis zum Jahr 2000 zu warten und bis dahin unsere Kräfte in die Stärkung der GSoA und in das Zustandekommen der friedenspolitischen Initiativen zu stecken.

Vom Messen der GSoAII an ihrer grossen Schwester

von Tex Tschurtschenthaler

Niemand scheint zu bezweifeln, dass die GSoAII, falls sie dereinst einmal zur Abstimmung gelangen wird, an ihrer grossen Schwester GSoAI gemessen werden wird. Es ist sehr naheliegend, davon auszugehen, denn das eigentliche Anliegen ist bei beiden grob gesehen dasselbe, dieselbe politische Gruppe bringt sie zur Abstimmung und dasselbe – höchstens demographisch leicht veränderte – Schweizer Volk befindet darüber. Ausserdem wird auch unser BöFei (Mil.Jarg.f. Böser Feind) ein Interesse daran haben, die GSoA II mit der GSoAI zu vergleichen, damit das momentan von vielen Leuten auf beiden Seiten erwartete schlechtere Abschneiden als geglückte Revanche für die empfindliche Schlappe von 1989 hingestellt werden kann. Werfen wir einen Blick zurück: Vor 1989 war die Armee in der Schweiz eine klassische Heilige Kuh. Die Forderung nach ihrer Abschaffung war entsprechend eine Megaprovokation. (Bitte die letzten beiden Sätze nochmals lesen und sich den Inhalt mit den dazugehörenden Emotionen vergegenwärtigen, wenn nötig, die Augen dabei schliessen.) Das ist heute nicht mehr so. Zwar existiert die Armee nach wie vor mit allen Nachteilen, aber eines hat sie verloren: den Heiligenschein und somit ihre Unberührbarkeit. Bundesrat, Parlament, Parteien und Wirtschaft wollten damals die GSoA-Initiative eigentlich diskussionslos über die Bühne gehen lassen. Als im Ersten Deutschen Fernsehen aber ein Dokumentarfilm über die GSoA-Initiative ausgestrahlt wurde und die Classe Politique sich mit der Tatsache konfrontiert sah, dass in der Schweiz Hunderttausende die Sendung mitverfolgt haben müssen, war der Schweigebann gebrochen. Im Nachhinein dürfen wir mit gutem Gewissen sagen, dass damit der GSoA-Erfolg von 1989 bereits eingetreten war. Heute ist der verlorene Heiligenschein nicht einmal in Ansätzen regeneriert. Im Gegenteil. Mir scheint es, als ob unsere Armee seit 1989 je länger desto weniger als seriöse Institution angesehen wird. Kürzlich veröffentlichte Studien haben gezeigt, dass der Anteil der kritischen ArmeebefürworterInnen unter den ArmeebefürworterInnen kontinuierlich steigt. Nicht einmal eine noch so schlecht abschneidende GSoAII wird es soweit bringen, dass Armeekritik wieder ein Tabu wird. Aus dieser Analyse der Situation ziehe ich den Schluss, dass die GSoAII eine ganz andere Initiative sein wird, als es ihre grosse Schwester war. Sie wird keine Megaprovokation sein können. Sie wird schlicht nur die Existenz einer gewöhnlichen staatlichen Institution radikal hinterfragen. Ausserdem werden dieses Mal die eigentlichen Argumente wahrscheinlich einiges mehr zählen als dies 1989 der Fall war. Und gerade das ist für mich die eigentliche Herausforderung an der GSoAII. Ich möchte dieses Mal nicht einfach der Armee eins auswischen sondern meine Argumente – welche das letzte Mal in der Aufregung untergegangen sind – an denjenigen der ArmeebefürworterInnen sachlich messen können

Die totale Abschaffung

von Silvia Camponovo

Mit der Lancierung der geplanten Initiativen kann die Existenz und Überzeugung jener Kräfte zum Vorschein kommen, die die kriegerische Mentalität der Macht zurückweisen. Deshalb müssen wir jede Gelegenheit nützen, die Debatte auf nationaler Ebene wieder zu beleben – unabhängig von der momentanen politischen und ökonomischen Lage. Eine Abstimmung zeigt immer die Gedanken des Volkes und seiner RepräsentantInnen. Wenn wir aber einen Konsens in der GSoA anstreben wollen, so sind diese Initiativ-Entwürfe nicht befriediqend. Sie müssten kompromisslos die totale Abschaffung der Armee und die Förderung des Friedens verlangen.

Ungeschickt

von Padre Callisto

Ich halte eine Armeeabschaffungsinitiative nicht für opportun. Meine Idee wäre ein allgemeiner Zivildienst: Alle Frauen und Männer ab 18 Jahren arbeiten in von ihnen frei gewählten Betätigungsfeldern zugunsten der Gemeinschaft. Die Politik ist die Kunst des Möglichen, und nicht die blosse Übertragung der eigenen Wünsche und ideologischen Prinzipien. Solche hohen und spirituellen Ziele drohen nach einer verlorenen Abstimmung verachtet zu werden und unterzugehen. Obwohl ich nach wie vor gegen die Armee bin, halte ich die Lancierung einer neuen Initiative nicht für einen geschickten Schachzug.

Denken

von Ivano Fosanelli

Eine neue Abschaffungsinitiative? Mein Gehirn denkt sofort in zwei verschiedenen Richtungen. Die eine, typisch schweizerische und rationale, evaluiert den Augenblick der Krise, die politischen Strategien, die Opportunität und die Konsequenzen des Resultats. Bald lege ich diese Gedanken beiseite. Das andere Bild bekommt sofort Oberwasser: Das Vergnügen, sich vorzustellen, dass ein neues, positives Signal von dieser kleinen Gemeinde im Zentrum Europas für das dritte Jahrtausend ausgehen könnte! Hoffnung auf menschliche Solidarität, Erziehung zum Frieden und Zurück- weisung der Befehlsgewalt, der Konkurrenz als einzige Möglichkeit, der Gewalt als einzige Rettung. Über ein nachahmenswertes Beispiel nachdenken. An eine Schweiz ohne Armee denken. Denken!

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