Eufor: Redebeitrag Josef Lang |
Zurück |
Friedenspolitisches Nein zum EUFOR-Einsatz, Medienkonferenz 13.12.2004
Redebeitrag von Josef Lang, Nationalrat Grüne, GSoA-Aktivist
Nicht Soldaten, sondern Minenräumer und Staatsrechtler braucht das Land
Bosnien braucht keine Schweizer Armee. Aber die Schweizer Armee braucht Bosnien. Wer Soldaten nach Bosnien sendet, verhält sich sehr wohl solidarisch, aber nicht mit den bosnischen Menschen, sondern mit den eidgenössischen Militärs. (Wer die bundesrätliche Botschaft zur Bosnien-Mission genau, das heisst kritisch liest, findet diese Einschätzung bestätigt.)
Bosnien hat grosse Probleme, zu deren Lösung es unsere personelle und finanzielle Solidarität braucht.
Die militärische Sicherheit gehört nicht zu diesen Problemen. Der Bundesrat selber hat Mitte letztes Jahr Bosnien-Herzegowina zu einem «Safe Country» erklärt. Tatsächlich gibt es eine starke Zunahme der Rückkehrerinnen und Rückkehrer. Allein im Jahre 2003 waren es 45'315 Personen. (Wenn es um das Rücksenden von Flüchtlingen geht, gilt Bosnien als sicheres Land. Wenn es um das Entsenden von Soldaten geht, gilt es als unsicheres Land?)
Das grösste Sicherheitsproblem in Bosnien-Herzegowina ist die Verminung. Wenn die Schweiz, die gerade in der Minenräumung hoch qualifiziert ist, etwas zur höheren Sicherheit der Menschen beitragen will, dann baut sie nicht das militärische, sondern das humanitäre Engagement aus. Die beschleunigte Rückkehr von Flüchtlingen erfordert eine Beschleunigung bei der Entminung. Solange die Felder vermint sind, können sie nicht bewirtschaftet werden. Solange die Menschen nicht auf die Felder gehen können, haben sie keine Existenzgrundlage, kann sich die (Land-)Wirtschaft nicht entwickeln. (Die Arbeitslosenrate in Bosnien-Herzegowina beträgt 41 Prozent.)
Statt ihr Engagement in der humanitären Minenräumung auszubauen, hat es die Schweiz in den letzten Jahren abgebaut. Um den echten Sicherheits-Problemen der Menschen in Bosnien-Herzegowina gerecht zu werden, reiche ich diese Woche im Nationalrat ein Postulat für einen signifikanten Ausbau der humanitären Minenräumung in Bosnien-Herzegowina ein. (Allein am letzten Donnerstag habe ich 80 Unterschriften gesammelt. Heute Nachmittag sammle ich weiter. Siehe beiliegendes Postulat Humanitäre Minenräumung in Bosnien!)
Auch zur Lösung des grössten politischen Problems von Bosnien-Herzegowina, der staatlichen Neustrukturierung, könnte die Schweiz aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen einen fruchtbaren Beitrag leisten. Bosnien-Herzegowina leidet wegen dem fremdbestimmten Dayton-Abkommen unter einem schwerwiegenden Konstruktionsfehler: die Zweiteilung in eine serbische Republik und eine bosnjakisch-kroatische Föderation, die selber wieder zweigeteilt ist. Hätte man in der Schweiz 1848 oder 1874 den gleichen Fehler gemacht und sie in eine alemannische Republik und eine französisch-italienische Föderation aufgeteilt, wäre sie spätestens im Ersten Weltkrieg auseinander gebrochen. Dieser Verweis auf die Schweiz ist nicht zufällig. Es gibt in der laufenden Verfassungsdiskussion in Bosnien-Herzegowina kaum einen Reformvorschlag, der ohne Verweis auf das schweizerische Modell des Föderalismus auskommt. Was an unserem Modell attraktiv ist für Bosnien-Herzegowina, ist die Drei-(statt Vier-)teilung in Bund, Kantone und Gemeinden, wobei insbesondere die Kantone sprachliche, ethnische, konfessionelle Grenzen überlappen und überwinden. Minenräumer sowie Staatsrechtler und nicht Soldaten braucht das kriegsversehrte Land.
Warum will die Schweiz «ums Verrecken» teure Soldaten, die Bosnien gar nicht nicht braucht, entsenden? Die Schweizer Armee leidet unter einem schweren Legitimäts-Defizit, das ihr viel mehr zusetzt als das Bundes-Defizit. Die Grenzverteidigung ist anachronistisch geworden. Zur Bekämpfung des Terrorismus ist sie ungeeignet. Und die innere Sicherheit ist eine Polizeiaufgabe. Eine Institution, der im Inland die Arbeit auszugehen droht, sucht sich im Ausland neue Jobs. (Siehe dazu die Parlamentarische Initiative der Grünen Fraktion «Moratorium für militärische Auslandeinsätze» vom 20.9.2004)
Selbst wer die Einschätzung nicht teilt, dass die bosnischen Sicherheitsprobleme nicht militärischer Natur sind, muss den helvetischen Militäreinsatz in Frage stellen: Erstens: Was für ein Signal sendet ein Land wie die Schweiz aus, wenn es sich unter das Kommando einer britischen Armee stellt, die das Völkerrechts auf schwerwiegendste und verhängnisvollste Art verletzt hat? Die Botschaft lautet: Völkerrechtsverletzung ist (selbst wenn sie 100'000 Tote zur Folge hat) ein Kavaliersdelikt! Ein militärischer Einsatz unter britischem Kommando wäre eine Hypothek für eine Aussenpolitik, welche sich die Verteidigung des Völkerrechts auf ihre Fahnen geschrieben hat.
Ist das nicht ein etwas hoher politischer Preis für ein militärisches Engagement, dessen Bedeutung ohnehin mehr symbolisch als real ist? Zweitens: Soll ein Land, das seit 157 Jahren keinen Krieg mehr führen musste, das Kriegshandwerk (in dem es glücklicherweise wenig Erfahrung hat) oder nicht gescheiter das Friedenshandwerk exportieren? In diesem verfügt die Schweiz gerade in jenen Bereichen, die Bosnien-Herzegowina dringend benötigt, über sehr hohe Kompetenzen. Zum Schluss noch dies: Der Nationalrat entscheidet am Donnerstag über die Entsendung von Soldaten nach Bosnien-Herzegowina. Aber diese Soldaten sind bereits seit anfangs November dort. Das ist eine klare Gesetzesverletzung, denn ein «dringender Fall» (MG 66b 4) liegt hier eindeutig nicht vor. Das ist weiter eine ungeheuerliche Respektlosigkeit gegenüber der Volksvertretung. Wenn diese etwas auf sich hält, dann lehnt sie den Bosnien-Einsatz allein aus diesem Grunde ab.